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Präsident Eisenhower versprach, das "atomare Dilemma" lösen zu wollen, und schlug 1953 die Gründung der IAEA vor.

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Erster Direktor war Sterling Cole (USA, 1957-61), es folgten die Schweden Sigvard Eklund (bis 1981) und Hans Blix (bis 1997, hier im Bild).

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Deren Nachfolger war der Ägypter Mohamed ElBaradei (bis 2009).

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Der derzeitige Generaldirektor der "Agency" ist der Japaner Yukiya Amano. Er übernahm den Posten im Dezember 2009, befindet sich in seiner zweiten Amtsperiode und wird für eine dritte gehandelt. In seine Zeit fällt die Katastrophe von Fukushima.

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Wien – Am 23. Oktober 1956 – das heißt vor sechzig Jahren – wurden im Uno-Hauptquartier in New York nach fünfwöchigen Verhandlungen die Statuten der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) angenommen: nicht nur gleich in deren Artikel 1, sondern fortan im täglichen Gebrauch von Insidern "the Agency" genannt. Für Außenseiter blieb sie oft die sperrige Aneinanderreihung von Vokalen, deren Aufgabe unklar oder sogar umstritten war – auch in Wien, wo das IAEA-Hauptquartier angesiedelt wurde.

Das zeigt etwa eine ORF-Doku aus dem Jahr 1970, in der die Agency so richtig schön lächerlich gemacht wird: Tonnen unnützen Papiers, gelangweilte Herren, Sekretärinnen, die den Job bekommen, weil's der Papa gerichtet hat, zollfreier Einkauf im "Commissary" und ganz, ganz viel Party. Was es bedeutete – auch für sein eigenes Wohlergehen –, dass sich die USA und die Sowjetunion mitten im Kalten Krieg darauf verständigen hatten können, dass ihr globaler Hegemonialstreit besser nicht auszutragen sei, indem sie ihren Klienten Zugang zu Atomwaffen verschafften, das war dem Redakteur entgangen.

Die IAEA war ein Produkt der Einsicht, dass es ein internationales Instrument braucht, die zivile und die militärische Nutzung des Atoms zu trennen. Dass das dann doch nicht immer gelang, dass auch die zivile Nutzung heute für viele ein rotes Tuch ist – und natürlich auch, dass Bürokratien so ihr Eigenleben haben –, ist eine andere Geschichte. Und selbstverständlich belauerten in allen Abteilungen der Agency einander die Vertreter der beiden Blöcke, der Proporz gehörte dazu.

Utopische Träume

Was die Haltung zum Atom betrifft, war es eine ganz andere Zeit. Trotz des Schreckens der Bomben von Hiroshima und Nagasaki gab es kaum Zweifel an der gloriosen Zukunft des "friedlichen Atoms": Atombetriebene Autos und Flugzeuge, Strom, der so billig sein würde, dass er für Privathaushalte nicht einmal mehr berechenbar wäre, erblühende Wüsten durch mit Nukleartechnologie entsalztes Meerwasser, das alles malten sich die Atom-Visionäre aus. Auch die programmatische Rede, die US-Präsident Dwight D. Eisenhower am 8. Dezember 1953 vor der Uno-Vollversammlung hielt und in der er die Schaffung einer neuen Organisation vorschlug, bekam den Namen "Atoms for Peace".

Geburtstagsgeschenk

Sowohl diese Rede als auch das ORF-Filmchen und anderes mehr werden nun rund um den 60. Jahrestag – die 1956 beschlossenen Statuten traten am 29. Juli 1957 in Kraft – der (englisch sprechenden) Öffentlichkeit geschenkt. Das 2011 gestartete "IAEA History Research Project" ist unter der Leitung von Elisabeth Röhrlich am Institut der Zeitgeschichte der Universität Wien (Oliver Rathkolb) angesiedelt, gefördert vom Wissenschaftsfonds FWF und anderen Institutionen und stellt online Materialien zur Verfügung. Es handelt sich um Work in Progress, die Texte sind einfach und erklärend, das Zielpublikum ist ganz klar ein allgemeines.

Besonders faszinierendes Material liefert der "Oral History"-Teil, die Zeitzeugen-Interviews, auch unter anderem mit den beiden Generaldirektoren vor dem jetzigen, dem Japaner Yukiya Amano. Da Hans Blix, der 1997 an Mohamed ElBaradei übergab, sein Amt 1981 antrat, sind damit fast drei Jahrzehnte abgedeckt, in die von der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl über die Krise der IAEA nach der Entdeckung des irakischen Atomprogramms 1991 bis zum Friedensnobelpreis 2005 so ziemlich alles an Ereignissen fällt, was die Agency heute ausmacht.

Dabei geht es natürlich nicht nur um die IAEA-Institutionsgeschichte an sich, sondern um die Vergangenheit und Zukunft von "global governance", der Weltordnung: des Versuchs für Probleme, die sich nicht durch Landesgrenzen einfangen lassen, multilaterale Lösungen zu erarbeiten.

Widerspruch

Der Widerspruch des Auftrags der Agency wurde früh diagnostiziert und auch immer wieder gegen sie verwendet: Nukleartechnologie zu promoten und ihre negativen Folgen zu kontrollieren.

Natürlich handelt es sich beim "IAEA History Research Project" auch um ein Stück österreichischer Zeitgeschichte: Vielleicht ist ja die Gelegenheit gekommen, sich auch das zwiespältige Verhältnis der Wiener zur Rolle ihrer Stadt als Heimat von internationalen Organisationen, nicht nur der IAEA, genauer anzusehen. Wien hatte, als es die Agency 1957 "bekam", mit drei anderen Städten zu konkurrieren: Genf, Kopenhagen und Rio de Janeiro.

Neutrales Österreich

Die Hauptstadt eines neutralen Landes war sowohl für Moskau als auch für Washington akzeptabel. Und die Regierung von "Staatsvertragskanzler" Julius Raab bemühte sich um einen neuen Platz Österreichs in der internationalen Gemeinschaft.

Die Neutralität war auch deshalb ein Faktor, weil als eine der Aufgaben der neuen Agentur eigentlich vorgesehen war, dass sie Depot- und Transit-Ort für größere Mengen spaltbaren Materials sein sollte. Dass etwas, das heute Proteststürme hervorrufen würde, damals überhaupt kein Thema war, zeigt, wie sehr sich die Zeiten geändert haben. Spannend ist jedoch, dass die frühe Idee einer Art internationaler Bank für Uran oder Plutonium, die nie umgesetzt wurde, heute wieder aufgegriffen wird. So könnte die Zahl der Staaten, die spaltbares Material herstellen, reduziert werden. Der Idee der Schaffung der IAEA waren etliche andere Initiativen vorangegangen, noch zur Zeit, als lediglich die USA über "die Bombe" verfügten. Als Eisenhower sprach, waren es schon drei Atomwaffenstaaten, neben der Sowjetunion war Großbritannien dazugekommen. Frühe Vorstellungen, dass Verstöße gegen das zu erstellende Regelwerk geahndet werden könnten, hatten keine Chancen, es war schon schwer genug, sich auf ein minimales "Safeguards"-System zu einigen. Was in einem Staat kontrolliert werden durfte, war, auch nach der Errichtung des Atomwaffensperrvertrags (NPT), minimal.

Weckruf Irak

Der Weckruf war der Fall Irak, der – abseits der offiziellen Zusammenarbeit mit der IAEA – in den 1980er-Jahren ein geheimes Urananreicherungsprogramm, mit dem Ziel, eine Atombombe zu bauen, entwickelt hatte. Die IAEA wurde als naiv kritisiert, die Inspektionen danach auf neue rechtliche Grundlagen gestellt. Auch die Verifikations- und Überwachungstechnologien machten enorme Fortschritte, eine völlig neue aggressive Inspektionskultur entstand: Dem nuklearen "Watchdog" waren Zähne gewachsen. (Gudrun Harrer, 8.10.2016)