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Der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani (links) springt Trump (Mitte, rechts: Trumps Sohn Eric) zur Seite.

Foto: REUTERS/Mike Segar

Manchmal klingt Rudy Giuliani noch vertrumpter als Donald Trump. Neulich, als es um die Steuern des Kandidaten ging und er in die Bresche sprang, um ihn zu verteidigen, klang es, als wäre er nur noch ein Sprachrohr des Immobilienmoguls. Als lese er nur noch vom Teleprompter, was ihm Trumps Spindoktoren aufgeschrieben haben.

"Die Wahrheit ist, der Mann ist ein Genie", sagte Giuliani bei "Meet the Press", der Sonntagstalkshow des Senders NBC News. Trump habe Steuergesetze ausgenutzt, um seine Unternehmen zu retten. Womit ihm etwas gelungen sei, was man in Amerika seit jeher bewundere: ein glänzendes Comeback. Dann folgten Sätze, die an Giulianis Nüchternheit zweifeln ließen. "Große Männer sind groß im Scheitern, und dann nehmen sie dieses Scheitern und verwandeln es in große Ergebnisse", fabulierte er und stellte den Baulöwen in eine Reihe mit Steve Jobs. In eine Reihe mit Winston Churchill, der zweimal in der Versenkung des Politikbetriebs verschwunden und jedes Mal triumphierend herausgeklettert sei aus dem Loch.

Nahe an die Macht zurück

Spätestens an diesem Sonntag war klar, wie sehr sich Giuliani verbiegt, um vielleicht wieder nah an der Macht zu sein. Spätestens da wurde deutlich, dass er sich offenbar zu nichts mehr zu schade ist. Hauptsache, bei Trump sammelt er Punkte. Begonnen hatte es im Juli, als sich die Republikaner in Cleveland zu ihrem Nominierungsparteitag versammelten und der 72-Jährige eine Rede hielt, die an die Apokalypse denken ließ. In düsteren Farben malte er eine Welt voller Gefahren, und zur Wahl in Amerika rief er wahrhaft dystopische Sätze in die Halle, in der normalerweise LeBron James Basketball spielt.

"Es wird keine nächste Wahl geben. Es gibt nur diese eine. Es bleibt keine Zeit mehr, unser großartiges Land wiederzubeleben." Dazu geballte Fäuste, weit aufgerissene Augen, die Mimik eines Weltuntergangspropheten. In der "Washington Post" schrieb der Pulitzer-Preisträger Eugene Robinson, säße man in einem Flugzeug und der Sitznachbar fange an, solches Zeug zu reden, würde man wohl nach den Flugbegleitern rufen. Schon damals fragte man sich, was wohl in Amerikas Bürgermeister gefahren ist.

"Amerikas Bürgermeister"

America’s Mayor – so nannten sie ihn, als er am 11. September 2001 bewundernswert nervenstark durch die Schuttwolken Manhattans lief und den schockierten New Yorkern neuen Lebensmut einzuflößen versuchte. Der Respekt, den er sich in bitterer Stunde verdiente, ließ ihn 2008 fürs Weiße Haus kandidieren. Wer sich in einer Krise so präsidiabel verhalte, dürfte auch im Präsidentenamt eine gute Figur machen, orakelten seine Fans. Mit dem Weißen Haus wurde es nichts, sodass sich Giuliani als Redner bei Motivationsseminaren versuchte, die in Wahrheit veritable Massenveranstaltungen sind.

Einmal, 2011, habe ich ihn bei so einem Spektakel erlebt, in Nashville, wo er sich vor zwanzigtausend Zuschauern in einer Basketballarena eine fürstliche Gage verdiente. Giuliani klang wie ein aus der Zeit gefallener Opa, der seinen Enkeln Ratschläge gibt, über die sie nur müde lächeln können. "Ihr braucht einen Computer. Geht ins Internet. Wer nicht im Internet ist, ist heute draußen." Nach ihm waren Colin Powell, Bill Cosby und Lou Holtz an der Reihe, ein Ex-Außenminister, ein Komiker und ein früherer Footballtrainer. Amerikas Bürgermeister, schien es, hatte seine Beschäftigung als Rentner gefunden.

Muslime und Beyonce

Dann trat Trump auf die politische Bühne, und Giuliani witterte Morgenluft, wobei es ein paar Monate dauerte, ehe er sich aus dem Fenster lehnte. Der Mann, der nach 9/11 unbeirrt zur Toleranz gegenüber Muslimen aufgerufen hatte, meldete keinen Widerspruch an, als der Milliardär ihn als Direktor einer noch zu gründenden Kommission ins Gespräch brachte, eines Gremiums, das eine spezielle Datenbank anlegen sollte, um sämtliche Muslime der USA darin zu erfassen. Leute, die ihn von früher kannten, sahen den Populisten, der er schon vor seiner Sternstunde am 11. September zuweilen gewesen war. Und dann hat er sich auch noch mit Beyoncé angelegt. Als sich die Sängerin mit der Bewegung "Black Lives Matter" solidarisierte, sprach er von einer Schande. Bleibt die Frage, was sich Amerikas Bürgermeister bis zum 8. November noch alles leistet. (Frank Herrmann aus Washington, 4.10.2016)