Wien – Der Wechsel von der Schule an die Uni ist mit vielen Umstellungen verbunden. Eine davon: die Prüfungen. Während in Schultests Antworten frei zu formulieren sind, herrscht an der Universität oft Ankreuzen vor – geprüft wird häufig mit Multiple Choice. Dabei formulieren Prüflinge die Antworten nicht selbst, sondern wählen aus vorgegebenen Alternativen. Während das Format in Fächern wie Medizin seit langem angewendet wird, wurde es mit steigender Studierendenzahl zuletzt auch in Geistes- und Sozialwissenschaften beliebter.
"Ein Vorteil ist die effiziente Auswertung – die Antwortbögen werden gescannt, die Noten errechnet der Computer", sagt Andreas Pfaffel, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bildungspsychologie an der Uni Wien. Dabei gehe es nicht nur um Zeitsparen: "Multiple Choice ist eindeutig zu interpretieren und zu verrechnen." Während Prüfer frei formulierte Antworten teils unterschiedlich beurteilten, sei Multiple Choice in der Auswertung objektiver. "Das erhöht auch die Rechtssicherheit der Prüfungen", sagt Pfaffel.
Einmal hin ...
Wie bei allen Formaten sei jedoch auch in der Konstruktion von Multiple-Choice-Aufgaben einiges zu beachten. "Die Kunst ist die Formulierung der falschen Alternativen – sie müssen plausibel scheinen, mit Vorbereitung aber erkennbar falsch sein", sagt Pfaffel. Richtige Antworten dürfen also nicht allein an einer elaborierteren Formulierung erkennbar sein. "Durchdachte Multiple-Choice-Aufgaben erfordern Kreativität und Zeit. Die Qualität ist auch eine Ressourcenfrage."
Das zeigt das Beispiel der Fakultät für Psychologie an der Uni Wien, die mit Wintersemester 2015/16 einen einheitlichen Modus bei Multiple Choice einführte. Zentrale Neuerung war, dass innerhalb einer Frage keine Teilpunkte mehr vergeben wurden. Um die Ratewahrscheinlichkeit zu senken, sollte es nur noch Punkte geben, wenn kein falsches Kreuz gesetzt und kein richtiges vergessen wurde. Das war unter Studierenden umstritten, sie befürchteten schwierigere Prüfungen und schlechtere Noten.
"Dabei ging es um Fairness, aber auch darum, dass Halbwissen nicht reicht. Bei Herzchirurgen will man auch nicht, dass sie nur die Hälfte verstehen", sagt Barbara Schober, Professorin für Bildungspsychologie und Dekanin der Fakultät. Mit dem neuen Modus sollten die Prüfungen nicht schwerer, sondern qualitativ verbessert werden. "Ohne Teilpunkte ist die Fehlertoleranz auch bei den Prüfungserstellenden geringer. Es war noch wichtiger, sehr genau zu formulieren."
... und wieder zurück
Da sich die Aufgaben aber nicht ausreichend verbessern ließen, kehrt die Fakultät nun zu Teilpunkten zurück. Zwar seien Verbesserungen erreicht und sei in der Übergangsphase darauf geachtet worden, dass Prüfungen nicht schlechter ausfielen. "In der Umsetzung wurde klar: Die Umstellung hätte dauerhaften Aufwand bedeutet, den wir aktuell nicht leisten können", sagt Schober. Erstsemestrigen, die vor ihrer ersten Multiple-Choice-Prüfung stehen, rät sie, Beispielfragen anzusehen, um ein Gefühl für das Format zu bekommen. Neu im Vergleich zur Schule sei vor allem: "Man muss sehr genau sein, genau lesen und lernen."
So verbreitet wie die Methode selbst sind auch die Vorbehalte. Bemängelt wird, dass Multiple Choice mit oberflächlichem Wissen lösbar sei. Wer es nicht weiß, könne zudem per Zufallsprinzip punkten. Viele Vorbehalte scheinen Pfaffel nicht zutreffend – bei richtiger Konstruktion seien Ratewahrscheinlichkeiten gering. (Miguel de la Riva, 7.10.2016)