Die Dokumente gibt es, doch der Bürger darf nicht hineinschauen – so wie die Legislative am Pallas-Athene-Brunnen. Ein neues Gesetz soll das ändern, wird aber kritisiert.

Foto: matthias cremer

Wien – Der Zaun ist eines der Paradebeispiele der Aktivisten, die ein Informationsfreiheitsgesetz fordern. Jener Grenzzaun im steirischen Spielfeld nämlich, den die Bundesregierung zur Kanalisierung der dort ankommenden Migranten bauen ließ.

Will eine Bürgerin heute herausfinden, wie viel dieses Bauvorhaben sie und alle anderen Steuerzahlerinnen kostet, gebietet ihr das Amtsgeheimnis Einhalt. Dieses soll – darin sind sich die wesentlichen Player einig – durch ein Informationsfreiheitsgesetz ersetzt werden, wie es in vielen europäischen Ländern üblich ist. Doch Details stellen den Sinn der Reform für manche infrage.

Auskunft über Zaunkosten "problematisch"

Das zeigt sich, als Gerhard Hesse, Leiter des Verfassungsdiensts im Bundeskanzleramt, der Offenlegung der Grenzzaunkosten nach dem aktuellen Gesetzesentwurf eine Absage erteilte. Er antwortete dem grünen Abgeordneten Albert Steinhauser, der beim öffentlichen Expertenhearing zum neuen Gesetz im Verfassungsausschuss konkret nach diesem Fall gefragt hatte. Da die wirtschaftlichen Interessen einer Gebietskörperschaft beeinträchtigt werden könnten, sei eine Auskunft in diesem Fall "problematisch". Gleiches gelte für Steinhausers zweiten Fall, der die Kosten für den Beratungsvertrag eines Ministeriums beinhaltete.

"Gezwungen, den Staat zu klagen"

"Die Bürger dürfen nun zwar fragen, was immer sie wollen, mit diesem Gesetz braucht die Behörde ihnen aber nur zu beantworten, was sie will", sagt Josef Barth, Gründer des Forums Informationsfreiheit (FOI), beim Hearing. Er kritisiert die laut ihm zu weit gefassten Ausnahmeregelungen: etwa das erwähnte Ausklammern bestimmter Verträge oder dass das Amt die Beantwortung einer Anfrage ablehnen könnte, weil der Aufwand dafür zu groß sei – ohne dass der Antragsteller die Begründung überprüfen kann. Außerdem sei es ein großes Problem, "dass der Bürger gezwungen wird, den Staat zu klagen".

Der Zwang zur Klage steckt tatsächlich im aktuellen Gesetzesentwurf: Weil sich vor allem die ÖVP gegen einen eigenen Informationsfreiheitsbeauftragten sträubt, ist vorgesehen, das die Verwaltungsgerichte strittige Anfragen klären. Verweigert ein Amt also die Auskunft eines Bürgers, muss dieser den entsprechenden Bescheid anfechten und das Gericht entscheiden lassen.

Kopfschütteln bei den Aktivisten

Das findet Patrick Segalla gut, er ist Präsident des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich. Die 2014 eingeführten Verwaltungsgerichte würden ihre Effizienz auch im möglicherweise neuen Bereich beweisen.

Oft sei es gar nicht notwendig, als Gericht selbst in die angefragten Dokumente zu schauen, wenn "schon aus der Formulierung erkennbar ist, dass das abzulehnen ist", etwa wenn es um den Inhalt eines Sicherheitskonzepts der Polizei geht. Eine Einschätzung, die die anwesenden Informationsfreiheitsaktivisten die Köpfe schütteln lässt.

Viel Info "eher verwirrend"

Segalla stellt außerdem infrage, ob tatsächlich jedes Urteil veröffentlicht werden müsse. Immerhin würden beispielsweise im Asylbereich jährlich tausende Fälle entschieden. Der Gerichtspräsident fragt, "ob das nicht eher verwirrend ist". Laut Verena Madner, Jusprofessorin an der WU Wien, werde das Vorgehen der Gerichte entscheiden, "ob das ganze eher kafkaesk oder ein gewisser Beitrag zum Rechtsschutz wird".

Willkommenes Druckmittel für die Länder

Verfassungsminister Thomas Drozda (SPÖ) will beim Informationsfreiheitsgesetz jedenfalls "heuer noch zu einer Entscheidung kommen". Weil mit dem Gesetz die Kompetenzen der Länder eingeschränkt würden, kann der National- den Bundesrat nicht "überstimmen".

Ein Druckmittel, wie der oberösterreichische Landtagsdirektor Wolfgang Steiner freimütig verkündete: Man werde im Bundesrat zustimmen, wenn auf die Länder keine zusätzlichen Kosten zukommen – und wenn "einige langjährige Forderungen der Länder" erfüllt werden. (Sebastian Fellner, 5.10.2016)