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Die USA reagierten gereizt auf die Stationierung der Luftabwehreinheit S-300 (Archivbild) in Syrien.

Foto: EPA/Mashatin

Moskau – Neue Friedensgespräche wird es erst nach der Wahl in den USA geben, meint der Leiter des Außenausschusses im russischen Föderationsrat, Konstantin Kossatschow, der der Obama-Regierung vorwarf, falsche Prioritäten zu setzen. Sie verfolge das vorrangige Ziel, Präsident Bashar al-Assad zu stürzen und sich erst dann um Terrorbekämpfung zu kümmern.

Bereits am Mittwoch nahmen Außenminister der USA und Russland wieder Kontakt auf. Sergej Lawrow und John Kerry hätten miteinander telefoniert, teilte das russische Außenministerium mit. Nach russischen Angaben kam das Telefongespräch auf Bitten der USA zustande, Syrien sei dabei nicht das einzige Thema gewesen.

Die Spannungen zwischen den beiden Großmächten sind innerhalb weniger Tage so schnell gestiegen, dass selbst eine offene und direkte Konfrontation nicht mehr auszuschließen ist. Das Risiko für die russischen Soldaten in Syrien sei gestiegen, räumte Kossatschow ein. Russland habe aber genügend Kraft und Mittel, um ihre Sicherheit zu schützen, fügte er hinzu.

Der Moskauer Außenpolitiker spielte damit auch auf die Stationierung einer Luftabwehreinheit S-300 "Antej-2500" in Syrien an. Das Waffensystem kann Kampfflugzeuge, Marschflugkörper und Raketen abschießen.

Das Pentagon reagierte irritiert: Moskau habe seinen Einsatz als Antiterrorkampf deklariert, doch weder die Terrormiliz Islamischer Staat noch die syrische Al-Kaida-Filiale verfüge über Fluggeräte, gegen die das Luftabwehrsystem einsetzbar sei, sagte Pressesekretär Peter Cook.

Aufrüstung nach Beschuss

Dafür gibt es umso mehr US-Kampfflugzeuge in der Region, die nun damit rechnen müssen, am Himmel ins Visier genommen zu werden. Ähnlich hatte Russland im vergangenen Jahr auf den Abschuss eines Su-24-Jets durch einen türkischen F-16-Abfangjäger reagiert. Damals schickte Moskau schon eine Division S-400 nach Syrien.

Es gibt Gerüchte, wonach auch diesmal die Entsendung der Luftabwehr mit eigenen Verlusten zusammenhängt: So sollen bei dem von Washington als "irrtümlich" bezeichneten Luftschlag gegen die syrische Armee Mitte September in Deir ez-Zor auch russische Offiziere ums Leben gekommen sein, darunter ein Oberst, der in Syrien ein Agentennetz für Moskau aufbaute. Mangelhafte Aufklärung bleibt ein Schwachpunkt des russischen Militäreinsatzes.

Terroristenunterstützungsvorwürfe

Offiziell bestätigt der Kreml die Verluste nicht, doch Kossatschows Vertreter Franz Klinzewitsch erklärte, die Wahrscheinlichkeit, dass bei dem Angriff russische Soldaten ums Leben gekommen seien, sei "hoch". Die Version würde auch die empfindliche Reaktion Moskaus erklären. Aus dem Kreml wurde der Vorwurf laut, die USA unterstützten Terroristen, die Version eines irrtümlichen Angriffs wird im Kreml nicht geglaubt.

Brisant ist, dass es inoffiziellen Berichten zufolge auch eine militärische "Antwort" gegeben hat. Das kremlnahe Nachrichtenportal Sputnik berichtete auf seiner arabischsprachigen Seite unter Berufung auf angebliche Augenzeugen in Aleppo, Russland habe drei Lenkwaffenraketen des Typs Kalibr auf einen Bunker in der Großstadt abgefeuert. Dabei seien Militärberater aus Israel, Frankreich, Großbritannien und eben auch den USA getötet worden.

Auch für diesen Bericht gibt es keine Bestätigung – weder von der einen noch von der anderen Seite. Eine Präsenz derartiger Berater in Aleppo wäre aber überraschend. Auffällig ist dennoch, dass auch Washington schroff den Gesprächsfaden abgerissen hat. Zuletzt blockierten die USA im UN-Sicherheitsrat eine Resolution, die den Beschuss der russischen Botschaft in Damaskus verurteilen sollte. Es deutet einiges darauf hin, dass zwischen Russland und den USA schon jetzt ein hybrider Konflikt tobt. Ohne die Wiederaufnahme der Diplomatie könnte er schnell ins Unkontrollierbare eskalieren. (André Ballin, 5.10.2016)