Europas Politiker setzen immer öfter auf ein simples Allheilmittel zur Bewältigung von Problemen: mehr Geld in neue und bestehende Fördertöpfe. Im Regelfall muss es zumindest eine Verdoppelung der jeweiligen Dotierung sein. Grundsätzliche Diskussionen, ob das alles sinnvoll ist, unterbleiben. Untersuchungen, wonach es zumeist nicht an den finanziellen Mitteln, sondern schlicht an den Ideen und sinnvollen und somit förderfähigen Projekten mangelt, werden außer Acht gelassen. Es besteht die Gefahr, dass durch eine aberwitzige Erhöhung von Fördermitteln einfache falsche Investitionsanreize geschaffen werden.

Der erste Jahrestag der sogenannten Investitionsoffensive für Europa ("Juncker-Plan") und der dazugehörige Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) sollte daher weniger Grund zur hysterischen Selbstbeweihräucherung sein als vielmehr Anlass zur kritischen Bestandsaufnahme. Grundlage des Juncker-Plans sind zusätzliche 315 Milliarden Euro, die binnen dreier Jahre in die europäische Wirtschaft gepumpt werden. Nur wenige beachten, woher diese beachtliche Summe kommt. Es sind nämlich in Wahrheit eher bescheidene 16 Milliarden (Geld und Haftungszusagen) von der EU-Kommission, die zusammen mit fünf Milliarden aus der Europäischen Investitionsbank mittels sogenannter Hebelungen zu den 315 Milliarden aufgeblasen werden. Und was sich "Hebelung" nennt, ist nichts als ein finanztechnischer Taschenspielertrick: Man nimmt Kredite auf und besichert damit weitere Kredite. In der letzten Finanzkrise hat man so was auch Schneeballprinzip genannt.

Auch die Projektliste des Juncker-Plans sieht eher bescheiden aus: zahlenmäßig beachtlich, innovativ bescheiden. Zumeist wurden Projekte zur Kofinanzierung angemeldet, die unter den bestehenden Förderprogrammen einfach nichts bekommen haben. Und das sagt durchaus etwas über die Qualität aus, denn bereits vorher wurden und werden auch schon mal eigenartige Dinge gefördert: zur stärkeren regionalen Integration des Alpenraums etwa eine Untersuchung des Alkoholmissbrauchs im unteren Inntal, ein Radpilgerweg von Bayern nach Oberitalien oder auch geführte Touristentouren zu den Drehorten beliebter Fernsehserien in Bayern (Stichwort: Der Bulle von Tölz). Wenn nun drei EU-Kommissare die Verdoppelung des Juncker-Fonds ankündigen, ist das dann eher Grund zur Beunruhigung.

Der zweite Themenkomplex, der den EU-Kommissaren am Herzen liegt, ist Afrika. Die EU allein gibt zwar seit über 50 Jahren schon jährlich drei bis vier Prozent ihres Budgets als EZA nach Afrika. Jetzt sollen nochmals zusätzliche 40 Milliarden Euro dazukommen. Auch die werden aus dem Ärmel gezaubert: aus 1,4 Milliarden Garantien werden quasi über Nacht 40 Milliarden!

Die Official Development Assistance oder Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (kurz: ODA oder EZA) der gesamten EU belief sich 2015 auf beträchtliche 68 Milliarden Euro; davon wurden allein 20 Milliarden Euro zur Bekämpfung sogenannter Migrationsgründe in Afrika aufgewendet. Für den Zeitraum 2014-2020 wendet die EU-Kommission allein über 31 Milliarden Euro für ODA-Leistungen nach Afrika auf. Wozu all das neue, zusätzliche Geld gut sein soll, bleibt unklar.

Denn das anhaltende Problem Afrikas ist nicht fehlendes Kapital, sondern der Mangel an sinnvollen, förderwürdigen Vorhaben. Experten weisen schon jetzt darauf hin, dass genügend Finanzmittel zur Verfügung stehen. Nicht das Geld fehlt, sondern die Ideen. Die zunehmende Zweckentfremdung von EZA-Geldern für den Sicherheits- und Verteidigungssektor unterstreicht das.

Nicht abgerufen

Seit Jahren werden Milliarden an europäischen Entwicklungsgeldern, die "nicht abgerufen werden" – also einfach nicht verbraucht werden (können) – in die Finanzierung und den Betrieb afrikanischer Sicherheits- und Verteidigungsinfrastruktur umgeleitet. Das bekannteste Beispiel ist die sogenannte Friedensfazilität für Afrika. Weitere 40 Milliarden bringen da gar nichts.

Das EU-Haushaltsrecht kennt zudem auch noch zwei verschiedene Grundgrößen: Mittel für Verpflichtungen und Mittel für Zahlungen. Verpflichtungen können innerhalb einer Haushaltsperiode eingegangen werden. Die Zahlungen hingegen sind die Summe der tatsächlich in dieser Periode zu begleichenden Rechnungen. Während die Verpflichtungen in der Regel eher zu Beginn eines Finanzmehrjahresplanes eingegangen werden, erfolgen die Zahlungen dann zeitlich verzögert über die kommenden Jahre hinweg, wenn das Geld tatsächlich überwiesen wird.

Auf diese Weise hat die EU bereits heute über 200 Milliarden Euro an Verpflichtungserklärungen abgegeben, die erst in den nächsten Jahren auch tatsächlich beglichen werden müssen. Die EU schiebt bereits einen enormen Berg von Finanzierungszusagen vor sich. Die neuen Ankündigungen verschärfen das und schaffen durch die angewandten Hebelungen zusätzliche enorme Risiken.

In Wahrheit ist die EU-Kommission getrieben von den zunehmenden Problemen der Welt und den unerfüllbaren Erwartungshaltungen der EU-Mitgliedstaaten. Jedes Problem soll von Brüssel gelöst werden. Gleichzeitig gesteht man der EU jedoch nur rund ein Prozent der europäischen Wirtschaftsleistungen als Budget zu. Mit einem Jahresgesamtbudget von rund 140 Milliarden kann man jedoch keine Erfolge vorweisen. Der von der EU-Kommission jetzt eingeschlagene Weg, durch Hebelungen mittels Finanzvoodoo die wundersame Geldvermehrung für neue Fördertöpfe herbeizuführen, ist jedenfalls falsch. (Stefan Brocza, 5.10.2016)