In Brüssel verursachten heuer im Mai die belgischen Minister Alexander De Croo und Maggie De Block (im Bild) beim abrupten Öffnen der Autotüren "Dooring"-Unfälle.

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Wien – "Pass auf mit der Tür, sonst kugelt wieder a Passant durch die Gegend", sagt Polizeimajor Adolf Kottan vom Beifahrersitz aus zu seinem chauffierenden Assistenten Schrammel. "Niemand da", antwortet der, ohne sich umzudrehen. Er zieht am Türgriff, und ein Radfahrer macht unangenehme Bekanntschaft mit der geöffneten Autotür. Was Helmut Zenker in seiner Fernsehserie "Kottan ermittelt" zum Running Gag machte, kostet in der echten Welt Radfahrern immer wieder die Gesundheit – oder gar das Leben.

Weil Autotüren noch unter neunzig Grad ihren größtmöglichen Öffnungswinkel erreichen und dann zu einem starren Hindernis werden, halten viele Radfahrer lieber einen ausreichenden seitlichen Sicherheitsabstand zu parallel zur Fahrbahn parkenden Autos. Diese Maßnahme gegen "Dooring", wie "Kottan-Unfälle" im 21. Jahrhundert auch genannt werden, beobachteten Polizisten im September des Vorjahres auch bei einem Radfahrer in der Schulgasse in Wien-Währing. Sie sprachen wegen Missachtung des in Paragraf 7 der Straßenverkehrsordnung geregelten Rechtsfahrgebots ein Bußgeld aus.

Mit Unterstützung des Vereins Radlobby, der nun über den Fall berichtet, legte der Radfahrer Beschwerde beim Verwaltungsgericht Wien ein. Mehr als ein Jahr später kam das Gericht nun zu dem Urteil, dass ein Seitenabstand von rund 1,4 Metern bei 30 km/h eine legitime Entfernung zwischen Fahrradreifen und den geparkten Autos ist. Ein solcher Abstand sei nicht ver-, sondern sogar geboten, "will sich der Radfahrer nicht der Gefahr aussetzen, durch eine geöffnete Fahrzeugtüre verletzt zu werden". Die Anzeige wurde fallengelassen.

Sharrows gegen Dooring

Als Mindestabstand empfiehlt das Gericht die Faustregel von einem Meter plus der halben Länge des Lenkerbügels; je höher die Geschwindigkeit, desto höher sollte der Abstand sein. Im verhandelten Fall hält das Gericht selbst einen Abstand von bis zu 1,8 Metern für "eine durchaus vertretbare Entfernung". Zum Vergleich: Radfahrstreifen dürfen in Österreich bis zu 1,5 Meter schmal sein; wer sich in ihrer Mitte bewegt, hält also nur knapp 75 Zentimeter Abstand zum rechten Fahrbahnrand beziehungsweise den parkenden Autos. Deren Türen öffnen sich allerdings in einem Radius von bis zu einem Meter.

Für die Wahl des richtigen Abstands erachtet es das Gericht im Übrigen nicht als erheblich, ob andere Straßenbenützer behindert oder verlangsamt werden. Vielmehr müsse die körperliche Selbstgefährdung ausgeschlossen werden.

Die Radlobby fordert zur künftigen Minimierung der "Dooring"-Gefahr eine bundesweite Bewusstseinskampagne, breitere Rad- und Mehrzweckstreifen neben Parkstreifen und sogenannte Sharrow-Markierungen (share = teilen, arrow = Pfeil), die Kfz-Lenker darauf hinweisen, dass sich Radfahrer wegen parallel zur Fahrtrichtung parkender Autos in der Mitte der Fahrspur bewegen. (Michael Matzenberger, 6.10.2016)