Tierisches Getümmel: Eine Biene wird von einer Spinne gefressen, die sich in Blütenfarben getarnt hat. Winzige Nistfliegen holen sich ihren Anteil an der Beute.

Foto: Gernot Kunz

Die Leuchterblume Ceropegia sandersonii versteht es, das auszunutzen.

Foto: Stefan Dötterl

Salzburg – Die besten Geschichten schreibt bekanntlich das Leben, und manchmal konstruiert es verwickeltere Plots als Agatha Christie. Dass offenbar keine ökologische Nische zu eng und kein Überlebenstrick zu ausgefuchst ist, als dass sich nicht eine Spezies genau darauf spezialisieren würde, zeigt eine aktuelle österreichisch-deutsche Studie, die im Fachmagazin "Current Biology" erschienen ist.

Koevolution ist ein Prozess, in dessen Verlauf sich zwei oder auch mehrere Arten, die miteinander interagieren, immer besser aufeinander einstellen und an den jeweils anderen anpassen. Ein Paradebeispiel dafür sind Blütenpflanzen und deren Bestäuber: zumeist Insekten, aber auch Vögel und andere Tiere.

Schmarotzer, wo man hinsieht

Das bewährte Zusammenspiel von Blütenpflanzen und Bienen machen sich Räuber wie Spinnen oder Gottesanbeterinnen zunutze: Sie lauern in Blüten auf einfliegende Bienen, um diese zu erbeuten. In höchster Not setzt die Biene Pheromone frei, die ihre Artgenossen alarmieren sollen, berichten Forscher um Stefan Dötterl vom Fachbereich Ökologie und Evolution der Universität Salzburg.

Dieser "Angstgeruch" wird aber nicht nur von anderen Bienen wahrgenommen: Nistfliegen (Desmometopa) haben nur darauf gewartet. Die millimeterkleinen Fliegen ernähren sich von den Körperflüssigkeiten, die aus dem Leib einer Biene austreten, wenn sie von einem Räuber angefallen wurde.

Der österreichisch-tschechische Insektenforscher Joseph Mik hatte schon 1898 in der "Wiener Entomologischen Zeitung" von seiner Beobachtung berichtet, wie sich mehr als ein Dutzend der kleinen Desmometopa-Fliegen "mit einer gewissen Hast" auf dem Kadaver einer wohl von einer Spinne getöteten Biene "herumtummelten und (...) mit ihren knieförmigen Rüsseln die Beute gierig betasteten".

Wenn der Eindringling plötzlich zum Ehrengast wird

Das ist aber noch immer nicht der eigentliche Clou, von dem Dötterl und seine Kollegen berichten. Die Krone des Spezialistentums gebührt der Kletternden Leuchterblume (Ceropegia sandersonii) aus dem südlichen Afrika. Sie hat nämlich die Fähigkeit entwickelt, ebendiesen Duft – ganz ohne Anwesenheit von Bienen, Spinnen & Co – zu imitieren. "Wir konnten feststellen, dass die Pflanze 33 Substanzen nachahmt, die angegriffene Bienen aus verschiedenen Kopf- und Hinterleibsdrüsen abgeben", sagt Annemarie Heiduk, die in Salzburg und an der Universität Bayreuth forscht.

Schwirren hungrige Nistfliegen von diesem Duft angelockt herbei, finden sie sich anstatt im erwarteten Bankett in einer Falle wieder. Die trichterförmigen Blüten der Leuchterblume dienen mit ihrem komplexen Aufbau dazu, die Fliegen einzufangen und solange festzuhalten, bis sie genügend Pollen am Körper haften haben, um als Bestäuber fungieren zu können. Erst nach etwa 24 Stunden werden die Fliegen wieder in die Freiheit entlassen – und in die Ungewissheit, was sie beim nächsten Mal erwartet, wenn es nach Essen riecht. (red, 6. 10. 2016)