Nach Moses mit den bekannten 10 Geboten für grantige Wüstenwanderer hat dieser Tage Rudolf Taschner mit 10 Angeboten für aufgeklärte Menschen kräftig nachgelegt. In krisenhaften Momenten der Weltgeschichte hat das Thema Woran glauben Konjunktur, und die gilt es zu nutzen.

Dass ein solch krisenhafter Moment eingetreten ist, kann niemand bezweifeln, der allein in Österreich mit ansehen muss, wie Richard Lugners Ehe auf der Kippe steht, Polizisten ohne geladene Pistole keine Möglichkeit angstfreier Freizeitgestaltung erkennen und Fritz Neugebauer als Beamtenboss resignieren könnte. Zumindest die kleine Welt, in der die große ihre Probe hält, ist aus den Fugen, und nicht einmal der Papst nährt große Hoffnung auf Fugenkleber. Da kommt der Mathematiker gerade recht, uns mit seinem Evangelium von den 10 Angeboten wieder aufzurichten.

Spirituellen Naturen den Mund wässrig machen

Um grob sinnlichen Naturen den Tanz ums goldene Kalb ein wenig zu verleiden und spirituellen den Mund wässrig zu machen, hat Taschner maßgebenden Blättern Interviews zum Konflikt zwischen Wissen und Glauben gegeben, und auch in seiner wöchentlichen Kolumne in der "Presse" die Werbetrommel gerührt.

Dort verkündete er: Neben einem bloß vorläufigen Glauben gibt es in der Mathematik auch einen echten Glauben, der niemals durch Wissen ersetzt werden kann. Dass die volkstümliche Weisheit "Glauben heißt nix wissen" nun auch für die Mathematik beansprucht wird, kann in einer Zeit, in der das Kopfrechnen nicht mehr zu den simplen Kulturtechniken zählt, nur auf Begeisterung stoßen.

"Wir sind dennoch alle dem Tod geweiht"

"News" hat sich um die direkte Konfrontation mit dem Anbieter feige gedrückt und nur einem auszugsweisen Vorabdruck Raum gegeben, in dem – durchaus zu Recht, aber wenig originell – vor einer Überschätzung der Körperkultur, vor allem in sportlicher Form, gewarnt wird. Mögen wir noch so fleißig die Fitness-Studios besuchen, um unseren Körper zu trainieren, mögen wir noch so sorgsam die Ratschläge der Ärzte befolgen ..., früher oder später werden wir alle hinfällig, schwach, krank, lebensuntüchtig – wir sind dennoch alle dem Tode geweiht.

Zu Buddhas Lebzeiten mag das noch neu gewesen sein, inzwischen wirkt es ein wenig abgestanden, zumal ohne jede mathematische Würze. "Die Presse" stellte sich ihrem Kolumnisten auf einer ganzen Seite, und da geht er zum Angriff auf die Ungläubigen über. Anlass ist die Frage Was bedeutet für Sie Agnostizismus? Der normale Agnostiker, so der Mathematiker, lässt das Problem, ob es Gott gibt, offen, weil es für ihn nicht lösbar ist. Er legt es zur Seite. Ich lege es nicht zur Seite, weil ich ein Bedürfnis habe, zu dem, den ich nicht kenne, trotzdem in eine Beziehung zu treten. Durch das Gebet.

Spirituell halbwegs befriedigt

Ob das gelingt oder nicht – es ist nichts dagegen zu sagen, aber muss es so lange dauern, bis jemand die Katze aus dem Sack lässt? Spirituell halbwegs befriedigt, wandte sich er Interviewer dann der praktischen Seite zu. Was macht ein Mathematiker den ganzen Tag? Beten? Oder muss man in diesem Job hart arbeiten? Die Antwort ist beruhigend. Aber gar nicht! Man muss für Mathematik nicht so viel lernen, man muss sie nur verstehen. Das hätte man uns in der Schule sagen müssen.

Allzu fröhlich darf man sich den Alltag des Mathematikers aber auch nicht vorstellen. Ob Ihnen das Unendliche, mit dem Sie täglich umgehen müssen, auch Angst macht? wollte der Interviewer wissen. Na und wie! Ja. Ich habe mehr Angst als viele Mathematiker, die glauben, es gezähmt zu haben. Das Unendliche ist nicht zähmbar. Ob das nun die gute oder die schlechte Nachricht ist, blieb leider offen.

Im Ringen mit dem Unendlichen

Der "Kurier" lässt im Umgang mit Professor Taschner leider eine gewisse Skepsis durchscheinen. Mathematiker Rudolf Taschner versucht sich im neuen Buch als Philosoph und hantiert mit dem Glauben, heißt es da, oder: Sein neues Buch "Woran glauben" lässt allerdings erahnen, dass Taschner auch Humanist und Philosoph sein möchte.

Was heißt da möchte? Sollte es sich dabei um einen Gegensatz handeln? Im Ringen mit dem Unendlichen ist das Ergebnis klar: Natürlich gewinnt der Glaube. Und im Notfall eben der Aberglaube. Bei all dieser Hantierung mit dem Glauben kam es Taschner mit seinem Ratgeber vor allem auf eines an: Das Buch musste damit enden, dass es jemandem, der vollkommen verzweifelt ist, Hoffnung schenkt. Ich möchte einen Funken Licht bringen.

Die Zeit dafür war gut gewählt. Ob's hilft, wird man sehen.

(Günter Traxler, 8.10.2016)