Als US-Präsident Barack Obama 2009 der Friedensnobelpreis ein Jahr nach seinem Amtsantritt zugesprochen wurde, haben sich viele zu Recht gefragt: wofür? Das Komitee zeichnete einen Mann aus, auf dem zwar große Hoffnungen und riesige Erwartungen ruhten, der aber noch keine praktischen Beiträge zur Erhaltung des Weltfriedens geleistet hatte. In seiner Dankesrede machte Obama gleich deutlich, dass er als Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte keineswegs Gewaltverzicht üben will.

Die diesjährige Auszeichnung für Präsident Juan Manuel Santos ist besser begründet und ein klares Signal der Unterstützung für den Friedensprozess in Kolumbien, der durch das Votum vergangenen Sonntag einen massiven Rückschlag erlitten hat. Die Regierung und die Rebellen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) sind einen weiten Weg gegangen, um den seit 50 Jahren andauernden Bürgerkrieg mit mindestens 220.000 Toten nach vier zähen Verhandlungsjahren zu beenden.

Beide Seiten haben Zugeständnisse gemacht. Da in fast jeder kolumbianischen Familie Opfer zu beklagen sind, wurde insbesondere die weitreichende Amnestie für geständige Täter von vielen als ungerecht abgelehnt. Nur wer für völkerrechtliche Verbrechen sowie schwere Einzeltaten verantwortlich gemacht werden kann, hat mit Gefängnisstrafen zu rechnen.

Der Friedensnobelpreis wird Präsident Santos helfen, eine breitere Unterstützung im Land für das international gelobte Abkommen zu finden. Nur wenn dieser Friedenspakt tatsächlich umgesetzt und die darin enthaltene Entwaffnung Realität wird, gibt es die realistische Chance, dass einer der längsten bewaffneten Konflikte in Lateinamerika tatsächlich beendet wird.

Santos ist mit den Friedensverhandlungen ein hohes persönliches Risiko eingegangen, aber am Ende hat der passionierte Pokerspieler den Erfolg selbst aufs Spiel gesetzt. Ein Referendum wäre – wie die von David Cameron angesetzte Brexit-Abstimmung in Großbritannien – nicht zwingend nötig gewesen. Fast zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger sind erst gar nicht zur Wahl gegangen, lediglich 54.000 Stimmen gaben am Ende den Ausschlag für die "No"-Kampagne des früheren Präsidenten Álvaro Uribe, der nicht nur Ängste in Zusammenhang mit der Guerilla-Bewegung geschürt hatte. Er schlachtete noch andere innenpolitisch umstrittene Themen wie die Zulassung der Homo-Ehe und die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare für seine Kampagne aus.

Durch diesen Pakt zwischen Regierung und Rebellen ergibt sich für Kolumbien die Chance, eine positive Entwicklung wie in anderen lateinamerikanischen Ländern einzuleiten, wo aus Guerillabewegungen politische Kräfte geworden sind: In Mexiko sind die Zapatisten auf lokaler Ebene politisch engagiert, in El Salvador ist aus der Befreiungsfront Farabundo Martí eine Linkspartei geworden. In Uruguay war der frühere Kämpfer der Tupamaros, José Mujica, fünf Jahre Präsident; Daniel Ortega von der Sandinistischen Befreiungsfront ist in Nicaragua heute Staatspräsident – wenngleich er zunehmend autoritär regiert.

In Kolumbien hat der Waffenstillstand in den vergangenen Tagen gehalten, es wird weiter verhandelt. Der Nobelpreis kann ein entscheidender Beitrag zur Fortsetzung des Friedensprozesses sein. Allein deshalb kommt diese Auszeichnung zur rechten Zeit.(Alexandra Föderl-Schmid, 7.10.2016)