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Berlin droht Kompensation wegen Atomausstiegs.

Foto: dapd / Steffi Loos

Wien – Mit Ceta und TTIP, oder ohne: Die umstrittenen Schiedsgerichte, bei denen sich geprellt fühlende Unternehmen ihre Ansprüche gegenüber Staaten einklagen, gibt es zuhauf. Und die Fälle vor den diversen Gerichten häufen sich. Am Montag startet das besonders aufmerksam verfolgte Verfahren des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall gegen Deutschland. Der Stromproduzent hat die Bundesrepublik wegen des Ausstiegs aus der Kernenergie verklagt, dem auch die beiden deutschen AKW in Krümmel und Brunsbüttel zum Opfer fallen.

Die Schweden wollen ihre Verluste aus der Schließung der beiden Meiler mit 4,7 Milliarden Euro abgegolten wissen. Prozessiert wird vor dem Internationalen Schiedsgericht der Weltbank. Der Kritik von Nichtregierungsorganisationen an der Geheimnistuerei in solchen Verfahren wollen die Streitparteien gleich vorweg den Wind aus den Segeln nehmen: Die Verhandlung wird im Internet übertragen.

Mega-Pipeline Keystone

Die Öffentlichkeit wird noch mehr Gelegenheiten haben, derart sensiblen Fällen auf den Zahn zu fühlen. Die USA müssen sich bald in einem potenziell noch kostspieligeren Fall als Deutschland verteidigen. Es geht um die Mega-Pipeline Keystone, die von Alaska nach Nebraska führen sollte, aber von US-Präsident Barack Obama aus Umweltschutzgründen mit einem Veto verhindert wurde. Der in Calgary ansässige Pipelinebetreiber TransCanada beruft sich auf das Investitionsschutzabkommen innerhalb des nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta (USA, Mexiko, Kanada) – und fordert 15 Milliarden Dollar vom US-Steuerzahler. Washington habe das Projekt sieben Jahre lang verschleppt und letztlich aus rein politischen Gründen gestoppt, behauptet TransCanada.

Viele weitere große Fälle mit Sprengkraft sind anhängig. Auch österreichische Firmen gehen recht eifrig gegen diverse Staaten vor. Erst kürzlich hat die Bank Austria Kroatien wegen eines Gesetzes zur Konvertierung von Fremdwährungskrediten verklagt. Die Casinos Austria wiederum gehen gegen Argentinien vor, weil die Provinz Salta dem Unternehmen nach Geldwäschevorwürfen die Lizenz entzogen hat. Der teilstaatliche Betrieb musste sein Engagement um 45 Millionen Euro wertberichtigen.

Von der Slowakei bis Libyen

Die Strabag hat wiederum Libyen auf 100 Millionen Euro Schadenersatz geklagt, weil diverse Bauleistungen im zerrütteten Land nicht bezahlt und Mitarbeiter evakuiert wurden. Auch die EVN hat schon einige Erfahrungen mit Investorenklagen: Von Bulgarien verlangt der niederösterreichische Energieversorger Kompensation für die Regulierung der Strompreise. Bereits abgeschlossen ist ein Verfahren, das die Niederösterreicher gegen Mazedonien geführt haben. Der Streit um offene Rechnungen aus der Zeit vor dem Einstieg der EVN wurde verglichen.

Das Speditionsunternehmen Kunsttrans hat Serbien geklagt, weil offene Rechnungen für die Errichtung eines Depots für das Kunstmuseum Belgrad nie beglichen wurden. Es gibt auch Fälle, in denen österreichische Firmen trotz Erfolgs vor einem Schiedsgericht weiterkämpfen müssen. Der Kosovo beispielsweise weigert sich, die Staatsdruckerei für nicht bezahlte Rechnungen zu entschädigen, obwohl die Österreicher vor einem internationalen Schiedsgericht gewonnen haben. Kürzlich wurde die Pfändung beantragt – es geht um fünf Millionen Euro.

Österreich wird kaum geklagt

Der Flughafen Wien kann von derartigen Problemen ein Lied singen. Als die Slowakei nach dem Wahlsieg der Linksregierung Fico den Zuschlag bei der Privatisierung des Flughafens Bratislava rückgängig machte, riefen die Schwechater ebenfalls ein Schiedsgericht in Paris an. Dort erhielt man Recht und den Kaufpreis refundiert, doch die inzwischen angefallenen Zinsen von fast drei Millionen Euro sind weiterhin unbeglichen. Daher wurde neuerlich der Rechtsweg beschritten.

Während österreichische Betriebe also regelmäßig vom Instrument der Investorenklagen Gebrauch machen, wird das Land selbst kaum geklagt. Es gibt bis dato erst einen Fall: Die Meinl Bank fordert von Österreich gut 200 Millionen Euro, weil sie in einer "achtjährigen Hexenjagd" von Justiz und Finanzmarktaufsicht geschädigt worden sei.

Konkret klagt die Julius Meinl zurechenbare Hauptaktionärin Belegging-Maatschappij Far East. Sie ist eigens von den Niederlanden nach Malta übersiedelt, weil Holland über kein Investitionsschutzabkommen mit Österreich verfügt.

Für Attac sind diese Fälle ein Zeichen dafür, dass Schiedsgerichte nur den Konzernen zugutekommen. Die Globalisierungskritiker haben erhoben, dass von 16 Klägern nur einer ein kleineres Unternehmen war. (Andreas Schnauder, 8.10.2016)