ATV inszenierte ein unmoderiertes Duell zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer.

Foto: Screenshot/atv.at

Wien – Der "Scheibenwischer" von Alexander Van der Bellen in Richtung Norbert Hofer war nur einer von zahlreichen nonverbalen und verbalen Tiefschlägen, die es am 15. Mai auf ATV hagelte. Oder, um es mit den Worten des Meinungsforschers Peter Hajek auszudrücken: "Schottisches Cupspiel bei sehr tiefem Boden. Wäre dieses Duell im ersten Wahlgang gewesen, hätte Irmgard Griss gewonnen."

Mit dem unmoderierten Fernsehduell zwischen Van der Bellen und Hofer schrieb der Privatsender ATV Geschichte, als er den Bundespräsidentschaftskandidaten eine Arena überließ. Das Rezept: zwei Sessel, ein Tisch, kein Moderator und 45 Minuten Zeit. Was die Kontrahenten aus dem Setting machen würden, blieb ihnen überlassen. Dass dann so eine Flegelei und Spirale an Untergriffen folgte, hofften die Sendungsmacher vielleicht, damit rechnen konnten sie aber nicht.

"Das Duell" auf ATV vom 15. Mai 2016

Andreas Trabi

Quotenstärkste Eigenproduktion

Am nächsten Tag jubelte ATV in einer Aussendung über einen "Sensationserfolg" und die "reichweitenstärkste Eigenproduktion in der Geschichte des Senders". Zeugen des "Duells" waren 432.000 Zuseher, die im Schnitt das Geschehen verfolgten. Bei der anschließenden Analyse waren sogar 447.000 dabei. Um vom Quotenerfolg von damals zu profitieren, zeigt ATV am Montag um 22.25 Uhr eine Aufarbeitung der Konfrontation namens "Bundespräsident: blamiert, beschädigt? – Die Doku zum unmoderierten Duell".

Zu Wort kommen etwa NLP-Trainer wie der Kommunikationswissenschafter Walter Ötsch, die das Duell vom Mai noch einmal sezieren. Über Norbert Hofers Strategie sagt er: "Ich glaube, ich habe noch nie einen Politiker im Fernsehen gesehen, der derart trainiert war." Das Ziel sei gewesen, "sehr schnell von einer sachlichen Ebene auf eine persönliche zu kommen". Ötsch identifiziert einen "Katalog von mindestens 20 persönlichen Aussagen" wie: Van der Bellen sei aggressiv, unehrlich oder ein Lügner.

Fremdschämen zum Quadrat

"Reden Sie mit der Flasche, die redet nicht zurück", sagte Hofer zu Van der Bellen. Einen unrühmlichen Moment des "Fremdschämens" sieht darin Journalistin Anneliese Rohrer: "Die hatten keine Selbstbeherrschung mehr." Sprachwissenschafterin Ruth Wodak analysiert Van der Bellens "Wischer" als "resignative Geste", die symptomatisch sei, wenn Menschen nicht mehr antworten könnten. Eine "rhetorische Schwäche" konstatiert Politik- und Medienanalytikerin Maria Pernegger, "das darf vor laufenden Kameras nicht passieren".

Passieren wird das ohnehin nicht mehr so schnell, denn sowohl Van der Bellen als auch Hofer haben bereits kurz nach der Sendung gesagt, dass sie für so ein "Duell" nicht mehr zur Verfügung stehen. Aber auch ATV hat betont, das "Experiment" nicht mehr so schnell zu wiederholen. Analysieren darf man es allemal. (Oliver Mark, 10.10.2016)