Das Kopftuch bringt die Schachwelt durcheinander.

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Teheran/Wien – Der Sport ist längst in den Hintergrund gerückt, es geht um mehr als Schach. Als erste Topspielerin hat die US-Meisterin Nazi Paikidze den Boykott des für Februar geplanten WM-Qualifikationsturniers im Iran angekündigt – aus Protest gegen die dortige Unterdrückung der Frauen. Konkreter Anlass ist die Vorschrift, beim Turnier ein Kopftuch tragen zu müssen.

"Als ich von der aktuellen Situation im Iran erfahren habe, dass Frauen dazu gezwungen werden, ein Kopftuch zu tragen, war ich untröstlich. Ich denke, viele Menschen wissen nicht, wie gravierend die Rechte von Frauen im Iran eingeschränkt werden", hielt die 22-Jährige fest. "Ich weiß, dass viele iranische Frauen täglich gegen dieses Gesetz protestieren und eine Menge riskieren. Deshalb werde ich kein Kopftuch tragen und die Unterdrückung unterstützen – selbst wenn das bedeutet, dass ich das wichtigste Turnier meiner Karriere verpasse."

Weitere Topspielerinnen denken ebenfalls über einen Boykott nach, eine von Paikidze initiierte Onlinepetition – Turnier verlegen oder Kopftuchpflicht abschaffen – wurde bereits von fast 15.000 Personen unterzeichnet. "Es geht um den Kampf für die Frauenrechte", heißt es dort.

Doch es gibt auch Widerspruch. Von Frauen aus dem Iran selbst. "Dies wird der größte Sportevent für Frauen, den der Iran je gesehen hat", sagt Mitra Hejazipour, eine der führenden Schachspielerinnen des Landes. "Es ist nicht richtig, zu einem Boykott aufzurufen. Dieses Turnier ist wichtig für uns, es ist eine Möglichkeit, unsere Stärke zu zeigen." Hejazipour sieht das Turnier zudem als "Wegbereiter für Frauen" in anderen Sportarten.

Gegen einen Boykott spricht sich auch Ghoncheh Ghavami aus. Die Iranerin war mehrere Monate inhaftiert, weil sie ein Männer-Volleyball-Match besucht hatte. Dies ist iranischen Frauen verboten. "Die Welt muss die Stimmen der Reformer innerhalb des Irans hören", sagt sie.

Der Weltverband FIDE verwies darauf, dass der Iran der einzige Bewerber für das Turnier gewesen sei. Zudem erklärte die FIDE, dass bei der Vergabe keiner der anwesenden 159 Mitgliedsverbände etwas einzuwenden hatte. Walter Kastner, Generalsekretär des österreichischen Schachbunds, sagte am Montag dem STANDARD, es gebe "keine offizielle Verbandsmeinung" zur Causa. So gesehen ist es fast ein Glück, dass sich keine Österreicherin für das Turnier qualifiziert hat. (sid, lü, fri, 10.10.2016)