Wenn die neuen ÖBB-Nahverkehrszüge ab 2019 ausgeliefert werden, hat die legendäre "4020er"-Schnellbahn endgültig ausgedient.

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Wien – Mit der Anfechtung der Nahverkehrszugbeschaffung der ÖBB beim kanadischen Zugausrüster Bombardier kommen nach und nach Besonderheiten des Auftrags im Volumen von bis zu zwei Milliarden Euro an die Öffentlichkeit. Ausgestochene Mitbewerber – auf den Plätzen landeten, wie berichtet, Stadler Rail aus der Schweiz und Siemens – argwöhnen, dass die Bombardier-Züge des Typs Talent 3 über keinerlei österreichische Wertschöpfung verfügten und bis 2019 auch nicht lieferfähig seien.

Über europäische Wertschöpfung dürften die Bombardier-Triebzüge freilich schon verfügen, denn das Assembling der insgesamt bis zu 300 Elektrotriebzüge erfolgt im Bombardier-Werk in Hennigsdorf in Brandenburg. Das Wiener Bombardier-Werk ist in den vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften ÖBB-Auftrag nicht involviert, dort werden nur die Straßenbahnen für Wiener Linien gefertigt. Gänzlich fern von Made in Austria dürfte die Bombardier-Lieferung dennoch nicht sein: Denn langjährige Zulieferer wie beispielsweise Traktionssysteme Austria (TSA, ehemals Elin Motoren) in Wiener Neudorf (war bereits Lieferant für den ÖBB-Vorläuferzug Talent 1) fertigen in Österreich. Und in Bosnien, wo der einst aus der VA Tech herausgelöste Motorenbauer 2015 in Zivinice ein Werk eröffnet hat.

Konkurrenz aus China

Mit dem bosnischen Werk versucht TSA, allfällige Lieferanten aus Fernost kostenseitig aus dem Feld zu schlagen. Das könnte notwendig sein, denn die aufgrund von Lieferschwierigkeiten bei Flugzeugen finanziell unter Druck stehende Bombardier hat seit 1998 einen schwergewichtigen Kooperationspartner an der Angel: die China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC), den inzwischen größten Schienenfahrzeughersteller der Welt. Diese Kooperation wurde im September mit einem großen Kooperationsvertrag ausgebaut.

Den Vorwurf, Motoren, Rotoren, Statoren und andere Komponenten für den Talent 3 kämen von CRRC, weist man in Bombardier-Kreisen zurück. Die Verträge mit den Zulieferern seien noch nicht fixiert. Einer Grundlage entbehre auch der Vorwurf, der neue Talent 3 wäre bis 2019 nicht lieferbar. Das Fahrzeug ist, wie berichtet, ein Upgrade mit neuer Antriebssteuerung und Motorleistung des in Deutschland mehr als 400-mal ausgelieferten Fahrzeugtyps Talent 2.

TSA beliefert übrigens auch den zweitgereihten Anbieter, Stadler Rail. TSA ist Zulieferer bei den Schnellzügen des ÖBB-Konkurrenten Westbahn und hat den Nachprüfungsantrag bereits beim Bundesvergabegericht eingereicht, wie eine Sprecherin auf Anfrage des STANDARD bestätigt. Stadler beziffert die Wertschöpfung via Zulieferer aus Österreich seit 2010 mit fast einer halben Milliarde Schweizer Franken (rund 450 Millionen Euro) – die österreichischen Arbeitnehmer im Werk Stadler-Werk Altenrhein nicht eingerechnet.

Frage der Wertschöpfung

Bei der drittgereihten Siemens wäre die inländische Wertschöpfung ebenfalls überschaubar. Wohl steuert SGP Leistungen bei, die Hauptarbeit erfolgte bei den zuletzt gelieferten Elektrotriebzügen Cityjet aber in Krefeld.

Wie eng es finanziell bei der mit Milliardenstaatshilfe gestützten Bombardier aktuell sei, wollen Konkurrenten aus 14-tägigen Lieferfreigaben ablesen, die der Bahnausrüster seinen Lieferanten vorschreibt. Betroffene sehen diese Maßnahme zum Abbau von Lagerkapazität allerdings nicht nur negativ: So bleibe noch nicht bezahlte Ware beim Erzeuger.

Wie DER STANDARD berichtete, hat Bombardier die größte Beschaffung der ÖBB mit einem auf Nutzfläche basierenden Kampfpreis für sich entschieden. Der soll für die 150 Lang- und Kurzzüge bei einem Mischwert von unter sechs Millionen Euro pro Zug liegen. (Luise Ungerboeck, 11.10.2016)