Erwin K. Bauer an seinem Steh-Bürotisch. Vor dem Fototermin bekam er einen Rappel und räumte auf.

"Es ist ein Blödsinn zu glauben, auf den Schreibtisch kämen schlechte Zeiten zu. Das Buch gibt's ja auch noch. Ganz im Gegenteil, es gibt sogar immer mehr und immer schönere Bücher. Was der Schreibtisch einem Desktop oder einem Mobile Office voraushat, ist das physische Erlebnis.

Ich denke, das Objekt Schreibtisch unterscheidet sich von anderen, klassischen Möbelgattungen, weil er als Ort für die Arbeit konzipiert wurde, ein Ort an dem Gedanken formuliert und zu Papier gebracht werden.

Ich selbst besitze mehrere Schreibtische, einen Hauptschreibtisch und verschiedene, nennen wir sie Nebenschreibtische. Mein Haupttisch ist ein Stehtisch mit einer Ablage, die einen Quadratmeter misst. Hier finden sich meine wichtigsten Dinge. Es gibt auch einen Besprechungstisch, an den ich mich zurückziehe, wenn ich mehr Ruhe brauche, einen Kaffeehaustisch auf der Dachterrasse, der als Schreibtisch fungiert und meinen Schreibtisch bei mir zu Hause.

Der ist umgeben von Büchern, ein klassischer Schreibtisch auf zwei Böcken mit Schreibtischleuchte. Das Licht spielt in Sachen Schreibtisch eine große Rolle. Überhaupt ist die Arbeitssituation nicht nur vom Schreibtisch, sondern von zahlreichen anderen Faktoren wie dem Raumsetting abhängig. Wenn ich an einer Skizze arbeite, gehört auch Musik zu diesem Setting. Nicht zu vergessen die Haptik des Möbels.

Wichtig ist die Abwechslung

Ich bin relativ groß und kein Muskelpaket. Dementsprechend ist mein Rücken beansprucht, der nicht immer das tat, was er hätte tun sollen. Deshalb der Stehtisch. In einem Schreibtischsessel bewegt man sich viel zu wenig. Beim Stehen wechselt man die Positionen, und die Tatsache, dass der Körper unter Spannung ist, fördert auch meine Konzentrationsfähigkeit. Im Sessel neigt man dazu, hin- und herzurutschen oder gar zusammenzusacken, auch wenn es mittlerweile schon sehr gute Sessel gibt. Wichtig ist die Abwechslung.

Der Tisch ist nicht von der Stange, der Künstler Werner Feiersinger hat ihn für mich gebaut. Das war eine Ausnahme. Er hat das Möbel aus klassischen Stahlprofilen geschweißt und ihm eine sehr pure Oberfläche verliehen. Auf der Platte liegt eine dünne Schicht Linoleum. Das nicht zu weiche, warme Material fühlt sich wunderbar an.

Wenn ich meinen Oberarm ausstrecke, liegt der Unterarm perfekt direkt auf der Oberkante auf. Wenn die Ergonomie bei einem Möbel nicht stimmt, stört mich das extrem. Das ist wie bei einem Fahrrad, das einen zu großen Rahmen hat. So etwas ist ganz schlecht für die Performance.

Behalte gern den Überblick

Generell gilt es zu hinterfragen, in welchen Situationen man arbeitet. Den Schreibtisch assoziiert man gemeinhin mit zurückgezogenem, introvertiertem Arbeiten. Heute gibt es aber auch Workshops, Brainstorming-Sitzungen etc., also Situationen, in denen man ganz anders arbeitet und die andere Settings verlangen.

Ich behalte auf meinen Schreibtischen gern den Überblick, auch wenn es chaotische Ecken gibt, die vor sich hinvegetieren. Vor allem während des Gestaltungsprozesses neigen die Dinge dazu, auf einem Schreibtisch zu wuchern. Irgendwann bekomm ich einen Rappel und räume alles auf. Das ist ein Moment, den ich sehr genieße, auch wenn ich mit dem Begriff "Unordnung" keine Probleme habe. Im Kopf weiß man doch sowieso, wo sich was befindet. Ich würde also eher "Verdichtung" anstatt "Unordnung" sprechen.

Was auf meinem Schreibtisch immer zu finden sein muss, sind Papier, kleine Notizhefte und ein Montblanc-Kugelschreiber von meinem Schwager. Obwohl ich eigentlich überhaupt nicht auf solche Statusobjekte stehe, bin ich ohne ihn unfähig, etwas zu notieren. Absurd, oder?" (Michael Hausenblas, RONDO, 14.10.2016)