Außer an seinem Schreibtisch im Büro arbeitet Gregor Eichinger auch gern im Kaffeehaus.

Foto: Christian Benesch

Praktisch findet er dabei, dass der Kellner für Ordnung sorgt.

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"Zu einem Schreibtisch baut man eine viel persönlichere Beziehung als zu anderen Möbeln auf. Am Schreibtisch ist man intensiv mit sich und seinen Geschäften beschäftigt. Dadurch wird er zu einem Vertrauensmöbel. Man kommt mit diesem Möbel in Situationen, in denen man sich für die Welt dort draußen bewähren muss. Die Aktivitäten für die Außenwelt werden auf diesem Möbel sozusagen zwischengelagert.

Man könnte auch sagen, der Schreibtisch macht die Dinge, die einen bewegen, sichtbar. Es handelt sich also um ein sehr persönliches Möbel. Hat man in seiner Arbeitsumgebung die Möglichkeit, ihn selbst auszuwählen, wird er sozusagen zum Gefährten. Dabei ist es egal, ob er Schubladen hat, riesengroß ist oder eher dem Typ Sekretär zuzuordnen ist.

Ich habe Schreibtische geplant, die waren nur 30 Zentimeter tief, dafür drei Meter lang. Dieser Aspekt macht das Möbel zusätzlich spannend. Er ist einfach in den unterschiedlichsten Ausführungen realisierbar. Man kann ihn sehr gut auf seinen "Betreiber" zuschneiden. Viel mehr als andere Möbel ist der Schreibtisch ein Spiegelbild seines Besitzers.

Brauche physische Präsenz der Projekte

Mein Schreibtisch ist ein sehr schlankes Objekt, das auch für meine vielen Besprechungen geeignet ist. Ich brauche viel Platz, damit meine Sachen um mich herum präsent sein können. Auch wenn ich mit einer Reihe von Projekten gleichzeitig beschäftigt bin, muss ich sie hier am Schreibtisch in Reichweite haben.

Das Problem mit der Computerarbeitswelt ist, dass alles in irgendwelchen Ordnern verschwindet. Von dort muss man es wie aus einer Bibliothek abrufen. Mir ist es lieber, wenn ich die Dinge auf einen Blick erfassen kann, auch wenn sie noch so komplex sind. Ich brauche die physische Präsenz der Projekte. Das ist für mich das Allerwichtigste.

Jeder muss für sich selbst herausfinden, welcher der richtige Schreibtisch für ihn ist. Manche stehen auf geschlossene Tische, auf versteckte Laden mit einem Touch Voodoo, auf Möbel, die auch Erinnerungen ans Privatleben mitbringen usw. Ich denke, es hängt sehr stark vom Beruf ab, welchen Typus man bevorzugt. Manche essen gern am Schreibtisch, andere wollen darauf schlafen können.

Der Schreibtisch muss also sowohl psychischen also auch physischen Konstellationen entgegenkommen. So wird er zum besten Vertrauten, den man überhaupt haben kann, um durchs Leben zu navigieren. Dieser Tisch wird sozusagen zum Schiff in der aufgewühlten See.

Schreibtisch ist ein Psychogramm seines Benutzers

Wie es auf einem Schreibtisch aussieht, ob Ordnung herrscht oder ein Saustall, hängt ganz von seinem Benutzer ab. Wie gesagt, der Schreibtisch ist ein Psychogramm seines Besitzers. In meinem Fall kommt unterm Strich folgender Slogan heraus: "Kampf um Ordnung!" Ich bin sehr stolz, dass ich diesen Kampf immer wieder gewinne, um dann auch wieder zu unterliegen. Wie auch immer, ich weiß genau, wo sich was befindet, auch wenn der Schreibtisch ein noch so großes Geheimnis daraus macht und ich Tiefen erschließen muss, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gibt. Ein sehr aufgeräumter und ordentlicher Schreibtisch verbirgt seine Geheimnisse wahrscheinlich woanders, was auch zu Überraschungen führen kann.

Die wichtigsten Utensilien auf meinem Schreibtisch sind eine ganze Menge Stifte, meine Füllfeder und jede Menge Schreibpapier. Das Handwerkliche liegt mir sehr am Herzen. Schließlich heißt es ja auch Schreib-Tisch.

Ich denke nicht, dass dieses Möbel eine vom Aussterben bedrohte Gattung ist. Ganz im Gegenteil. In Zeiten, in denen wir so viele Möglichkeiten zum mobilen Arbeiten haben, kann man alles Mögliche zum Schreibtisch umfunktionieren. Warum sollte ich mir zum Beispiel nicht aus einem schönen Marmortisch im Kaffeehaus einen Schreibtisch machen? Praktisch ist in dem Falle, dass der Kellner für Ordnung sorgt.

Der Schreibtisch muss kein personalisiertes Möbel sein, der immer am selben Ort steht. Ich kann auch eine Parkbank zu meinem Schreibtisch ernennen. Gerade diese Vielfalt empfinde ich als besonders aufregend." (Michael Hausenblas, RONDO, 14.10.2016)