Weil er sich über Regisseure, die "nicht wissen, wo der Berg steht", immer wieder ärgern musste, dreht der Alpinist Reinhold Messner jetzt selbst: "Still Alive! Drama am Mount Kenya" auf Servus TV.

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Hans-Joerg Auer und Vitus Auer als Gert Judmaier und Oswald Ölz.

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Der Mount Kenya.

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Reinhold Messner und das Team während der Dreharbeiten.

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Wien – Am 5. September 1970 erreichen der Vorarlberger Oswald "Bulle" Ölz und der Tiroler Gert Judmaier den Gipfel des Mount Kenya. Beim Abstieg über die 600 Meter hohe Ostwand stürzt Judmaier 30 Meter unter dem Gipfel an einem sich lockernden Felsbrocken in die Tiefe und bleibt in einer Rinne liegen. Er überlebt, aber der Oberschenkel ist gebrochen. Nach einer spektakulären Rettungsaktion kann der 29-jährige Alpinist geborgen werden.

"Eine der stärksten Berggeschichten, die ich kenne", sagt Reinhold Messner im Gespräch mit dem STANDARD. "Weil sie wirklich im allerallerletzten Moment gut ausgegangen ist." Für "Bergwelten" auf Servus TV setzt Messner sie nun um, "Still Alive! Drama am Mount Kenya" ist die erste Regiearbeit des 72-jährigen Alpinisten, zu sehen heute, Mittwoch, um 20.15 Uhr.

Abenteuer im Kopf

Judmaiers Bergung ist aufgrund des unzulänglichen Geländes nahezu unmöglich. Dass sie gelingt, ist einer länderübergreifenden Rettungsaktion zu verdanken. Judmaiers Vater, der sofort anreiste, holt Innsbrucker Bergretter zu Hilfe, darunter der Transplantationschirurg Raimund Margreiter.

"Ich habe die Geschichte immer wieder als Idee in meinem Kopf gehabt", sagt Messner. Judmaier lernte er 1970 in der Innsbrucker Klinik kennen. Messner lag dort wegen Zehenamputationen, "als dieser völlig kaputte Gert Judmaier in mein Zimmer geschoben wurde".

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Regie ist die dritte Karriere des Extrembergsteigers und Museumsdirektors Reinhold Messner. Die Führung seiner sechs Bergmuseen übergab er kürzlich seiner Tochter Magdalena. "Jetzt, nachdem das abgeschlossen ist, möchte ich noch ein paar Filme drehen." Regie führt Messner jetzt selbst, weil er sich vor der Kamera oft genug über Regisseure geärgert habe, "die nicht wissen, wo der Berg steht". Gedreht wurde an Originalschauplätzen, die Kamera führten Martin Hanslmayr und Andreas Gradl.

Gegen "Hollywoodianerung"

In Gesprächen geben sowohl Judmayr als auch Ölz sowie dessen Freundin Ruth Bollag Auskunft. Die Spielszenen stellten die Alpinisten Hansjörg und Vitus Auer nach, für Messner "die besten Kletterer der Welt. Schauspieler könnten das nicht spielen. Die würden da runterfallen", sagt Messner. Mount Kenya, 5199 Meter hoch, gilt als schwieriger Berg.

Sieben Tage lag Judmaier in Fels und Eis, betreut nur von seinem Freund und zwei britischen Bergsteigern. Ein Hubschrauber, der helfen sollte, zerschellt an der Wand. "Ich bin an echten Emotionen interessiert und nicht an Heroismus", sagt Messner. "Die Menschen, die da oben sind, sind völlig verloren, sie entwickeln Ängste und Hoffnungen. Die bringe ich eins zu eins vor die Kamera." Ein "normaler" Regisseur würde das Ganze "verhollywoodianern".

Von dieser Art habe er genug gesehen, sagt Messner und hält mit Kritik nicht hinterm Berg: "'Vertical Limit'? Absoluter Müll, 'Cliffhanger' mit Sylvester Stallone habe ich nicht verstanden, Everest war nicht schlecht, aber gut war er auch nicht." Lob bekommt hingegen Andreas Prochaskas "Das finstere Tal": "Der Film geht mir unter die Haut."

"Verwurzelter Tiroler"

Schwerer, als so manchen Achttausender zu erklimmen, ist es mitunter, Geld für den Film zu stemmen. Messners Geschichte einer Südtiroler Familie kommt nicht zustande, weil die norditalienische Filmförderung nichts beisteuern will: "Der Film wird nicht gefördert, weil die Verwalter dieser Gelder uns nichts zutrauen. Dass unsere Leute uns nichts zutrauen, ist eine Südtiroler Krankheit", sagt Messner und holt aus: "Stattdessen kommen Menschen von außen, bekommen die guten Posten, nach zwei, drei Monaten werden sie wieder entlassen, und sie kriegen viel Abfertigung." In Zukunft werde sich da nichts ändern, ist Messner pessimistisch: "Wenn das weiter so geht, geht Südtirol den Bach runter." Bleiben will er trotzdem: "Ich bin ein verwurzelter Tiroler."

Mehr Interesse zeigt Servus TV. Beim nächsten Film für den Red-Bull-Sender geht es um eine Geschichte, die Messner selbst erlebte, die Rettung von Peter Hillary 1979 an der Ama Dablam in Nepal. Rechte zu einem weiteren Film hat Messner schon an Hollywood verkauft. Wie er da gegen die "Hollywoodianerung" antreten will? Mit der ihm eigenen Philosophie: "Ich bin ein neugieriger, lernender Mensch." (Doris Priesching, 12.10.2016)