Wien – Der Bundeskanzler kam zwar mit einer halben Stunde Verspätung zum Bundeskongress der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD), dafür brachte er dem künftigen Vorsitzenden Norbert Schnedl ein Einstandsgeschenk mit: Künftig werde es mehr Mitarbeiter im öffentlichen Dienst geben. "Eines ist sonnenklar: Es wird nicht gelingen, die Qualität bei wachsenden Aufgaben, aber gleichbleibenden Ressourcen zu erhalten oder zu steigern", sagte Christian Kern (SPÖ). Ein Füllhorn gebe es aber nicht auszuschütten: "Ich bin der Auffassung, dass wir einen Staat brauchen, der so stark wie nötig und so schlank wie möglich ist."
Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), der die Delegierten mit "liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" begrüßt hatte, lobte die Verwaltung als "schlagkräftig und in weiten Bereichen effizient". Allerdings müsse man die Beamten und Vertragsbediensteten von "Routinen entlasten, damit sie sich auf das Wesentliche konzentrieren können".
Das klingt ganz ähnlich wie der Leitantrag, der am Dienstag zur Diskussion gestellt wurde – vorbereitet von Norbert Schnedl, der dem langjährigen Vorsitzenden Fritz Neugebauer am Mittwoch nachfolgen soll. Bei seiner Wahl zum Vorsitzenden der Christgewerkschafter in der GÖD (99 Prozent Zustimmung) hatte Schnedl erklärt: "Wir brauchen keinen schlanken Staat, sondern ausreichende Personal- und Sachressourcen."
Während der Applaus für Kern verhalten ausfiel, dauerte jener für den scheidenden Vorsitzenden Neugebauer so lange, dass dieser mehrfach auf die Uhr zeigen musste, um die Tagesordnung halbwegs einhalten zu können.
Neugebauer bekannte sich in seiner sehr emotionalen Rede zu Europa – "zwei Prozent der Landmasse, aber 50 Prozent der Sozialleistungen der Welt" – und nannte die EU "ein Sozialmodell, das es zu erhalten gilt".
Soziales Verständnis mahnte er aber auch von der Politik ein: Es sei eine "Chuzpe", bei der geplanten Abschaffung des Amtsgeheimnisses davon auszugehen, dass vermehrte Auskunftsbegehren nicht auch zu vermehrtem Arbeitsaufwand führen würden. Dem Dienstgeber, also dem Staat, empfahl der scheidende Gewerkschaftschef, sich bei Reformen "des Erfahrungswissens der Mitarbeiter zu bedienen, anstatt teure Expertisen zuzukaufen". (cs, 11.10.2016)