New York – Angesichts der verheerenden Zerstörungen durch den Hurrikan "Matthew" in Haiti hat sich die UN-Gesandte Sandra Honore für eine Verlängerung des Blauhelm-Mandats Minustah um sechs Monate ausgesprochen. Honore sprach am Dienstag (Ortszeit) im UN-Sicherheitsrat von einer "humanitären Tragödie" und einer "akuten Notlage" für 1,4 Millionen hilfsbedürftige Menschen.

US-Heimatschutzminister Jeh Johnson setzte unter dem Eindruck der Hurrikan-Folgen die Abschiebung von Haitianern in ihr Heimatland aus. Die UN-Gesandte für Haiti wies darauf hin, dass durch die Folgen des Hurrikans indirekt auch die politische Stabilität des Landes gefährdet sei.

Die für den 9. Oktober angesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wurden bis auf weiteres verschoben. Der UN-Sicherheitsrat soll am Donnerstag darüber entscheiden, ob das Mandat der Minustah um weitere sechs Monate verlängert wird. Honore sagte, angesichts der Auswirkungen des Hurrikans auf den politischen Prozess und die Stabilität des Landes sei der Verbleib der 6.000 Blauhelme nötiger denn je.

Beim Durchzug von "Matthew" wurden in Haiti mindestens 473 Menschen getötet. Mehr als 175.000 Menschen sind in Notunterkünften untergebracht. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte eine Soforthilfe von umgerechnet 110 Millionen Euro für die kommenden drei Monate.

US-Heimatschutzminister Jeh Johnson nahm eine erst kürzlich getroffene Entscheidung zurück, Haitianer ohne gültige Papiere in ihre Heimat abzuschieben. "Wir müssen mit der Misere der Haitianer verständnisvoll umgehen", sagte Johnson bei einem Aufenthalt in Mexiko-Stadt, bei dem es um Einwanderungsfragen ging.

Ausgesetzte Abschiebungen bereits nach Erdbeben

Nach dem Erdbeben von 2010, bei dem in Haiti 220.000 Menschen ums Leben kamen, hatten die USA auf die Abschiebung von Haitianern verzichtet. Zuletzt wollte die Regierung in Washington dies ändern, nachdem aus Brasilien und anderen südamerikanischen Ländern verstärkt Haitianer eintrafen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rief dazu auf, nach den Verheerungen von "Matthew" das Gesundheitssystem in Haiti zu stärken, statt von außen neue Hilfsteams zu schicken. "Die Besten, um den Haitianern zu helfen, sind die Haitianer selbst", sagte der WHO-Vertreter Jean-Luc Poncelet. Das wichtigste sei, die bestehenden Krankenhäuser wieder in Betrieb zu nehmen, sagte Poncelet. Die besonders betroffenen Kliniken in Jeremie und Les Cayes könnten Patienten behandeln, doch fehle es an Strom, Wasser und Medikamenten.

Angesichts der Welle der Hilfsbereitschaft nach den Verheerungen des Wirbelsturms mahnte Poncelet, es müsse denjenigen Organisationen Priorität gegeben werden, die bereits an Ort und Stelle seien. Ihre Mitarbeiter sprächen Französisch und Kreolisch, würden die Leuten kennen und seien daher effizienter, sagte der WHO-Vertreter. Anders als nach dem Erdbeben von 2010 seien die Haitianer in der Lage, die Verletzten des Hurrikans selbst zu behandeln und die nötigen Schritte zu ergreifen, um eine Ausbreitung der Cholera zu verhindern.

Cholera-Ausbruch kaum bewältigbar

Haiti war bereits vor dem Hurrikan von einer schweren Cholera-Epidemie betroffen. Durch die Überschwemmungen droht nun eine weitere Ausbreitung der Krankheit. Im Spital Port-a-Piment im Südwesten des Landes wurden allein am Sonntag 60 Cholerapatienten aufgenommen. Es gibt nicht genügend Personal, Desinfektionsmittel, Betten etc. um einen derartigen Ansturm an Patienten bewältigen zu können, berichtete das Hilfswerk Austria.

Bisher sind folgende Cholera-Fälle von der WHO bestätigt: Grand Anse (148), Sud (53), Nord-West (sechs), und Artibonite (28). Sonja Schilling, Hilfswerk-Mitarbeiterin im Katastrophengebiet, schätzte am Mittwoch die Gefahr einer Cholera-Epidemie als realistisch ein: "Im Süden gibt es kein sauberes Trinkwasser, geschweige denn Kochsalzlösungen oder Medikamente. Es gibt kaum Gesundheitsstationen, da 'Matthew' die gesamte Infrastruktur zerstört hat."

Der Wettlauf gegen die Zeit hat begonnen. Denn Cholera entzieht dem Körper innerhalb weniger Stunden so viel Flüssigkeit, dass die Patienten oft sterben, noch bevor sie ein Cholera Treatment Center (CTC) erreichen. Die Verbreitung erfolgt rasant – alle Personen, die mit dem Patienten in Kontakt waren müssen umgehend desinfiziert werden. Die Infizierung passiert meistens durch verunreinigtes Trinkwasser.

"Ich habe die Menschen hier noch nie so bedürftig erlebt", berichtete Schilling. "Sie haben Angst, und unsere Hilfspakete mit sauberem Wasser und Nahrung werden langsam knapp. Wir brauchen dringen Hilfe." (APA, AFP, 12.10.2016)