Wien – Die Autobranche ist im Umbruch. Alles spricht dafür, dass das Auto in Zukunft elektrisch fährt. Ganz sicher wird es intelligent und nutzt die Datenströme des Internets. Die Traditionshersteller betreten damit eine neue Welt, eine, in der sie beileibe nicht zu Hause sind. Es ist die von Apple, Google und anderen IT-Unternehmen.
Betroffen sind von dem grundlegenden Wandel naturgemäß die großen Autobauer. Aber nicht nur sie stehen vor der Herausforderung, neue Geschäftsmodelle finden zu müssen. Denn das Auto der Zukunft wird nicht mehr das isolierte Fortbewegungsmittel sein, als das es die allermeisten heute nützen, sondern es wird Teil einer in sich vernetzten Mobilitätswelt, sagt der bekannte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer.
In seinem aktuellen Buch "Zeitenwende in der Autoindustrie. Wer kriegt die Kurve?" wirft der Direktor des deutschen CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen zuallererst einen besorgten Blick auf die deutsche Automobilindustrie. Die müsse radikal umsteuern – in Richtung Elektroautos. "Alle laufen in Sachen E-Mobilität Tesla hinterher", sagt Dudenhöffer im Gespräch mit dem STANDARD.
Doch was bedeuten die Entwicklungen für die Zulieferbranche – und da vor allem für die großen und kleinen Player aus Österreich? Geht es nach einer Studie unter dem Titel "E-MAPP: E-Mobility and the Austrian Production Potential" im Auftrag des Klima- und Energiefonds (KliEn), bietet die Elektromobilität Österreich großes wirtschaftliches Potenzial. Bis zum Jahr 2030 könnte die heimische Automobilbranche demnach durch den Ausbau der E-Mobilität insgesamt bis zu 33.900 Jobs und 3,1 Milliarden Euro Wertschöpfung generieren.
Noch Forschungsbedarf ortet die Studie vor allem in Hinblick auf die Produktionsprozesse von Brennstoffzellen und Lithium-Ionen-Batterien. Österreichs Stärken orten die Autoren in einem großen Wachstumspotenzial sowohl für Komponenten für konventionelle Fahrzeuge als auch im Bereich der neuen Komponenten für die E-Mobilität. Dieses Potenzial lasse sich allerdings nur realisieren, wenn sich die Firmen hier in die neuen Wertschöpfungsketten einbringen.
Großangelegte Qualifizierungsoffensiven
Das sieht auch Dudenhöffer so: "Für die Zulieferer wird das eine echte Herausforderung. Einerseits laufen die alten Aufträge aus, die neuen treffen noch nicht ein. Die müssen da in die Vorfinanzierung gehen." Ohnedies sei E-Mobilität nur die eine Sache. Nicht weniger herausfordernd sei die Digitalisierung. "Da braucht es Software-Ingenieure und Innenraumdesigner. Das vernetzte, automatisierte Elektroauto wird wohl eher eine rollende Plattform mit Touchscreenoberfläche."
Derzeit, so Dudenhöffer, sitzen diese Fachkräfte im Silicon Valley. Österreichs Automotive-Branche sei stark und gut aufgestellt in technischen Fragen, in der klassischen Mechanik. "Aber die Firmen leben heute ausschließlich von den Verbrennungsmotoren." Was es braucht, um für die neuen Entwicklungen gerüstet zu sein? Es gelte die Themen IT-Sicherheit, Softwareprogramme, Zusammenarbeit mit Chiperstellern in Angriff zu nehmen – auch im Hochschulbereich.
Großangelegte Qualifizierungsoffensiven wie die Megastiftung für Magna Steyr– 3.000 Arbeitskräfte werden unter Einsatz von 15,58 Millionen Euro qualifiziert – hält der Autoexperte für eine gute Sache. Magna sei beim Übergang in die neue Welt auch mit der Auftragsfertigung in Graz gut positioniert, ist Dudenhöffer überzeugt.
Die Chance lebe, sich bei einem etwaigen Auftrag für das Apple-Auto gegenüber der Konkurrenz, etwa der niederländischen Nedcar oder der chinesischen Faraday Future, durchzusetzen. (Regina Bruckner, 14.10.2016)