Veli Kavlak ist auf einem Leidensweg.

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Wien/Istanbul – Man sagt ja nicht umsonst, der Sport sei eine Parabel auf das Leben. Nach Höhen kommen die Tiefen, und am Ende zehren alle guten Storys von der dramaturgischen Grundfrage: Schafft es der Held? Oder schafft er es nicht? Im Fall des 31-fachen ÖFB-Internationalen Veli Kavlak ist die Geschichte noch nicht fertig erzählt.

Der 27-Jährige mit türkischen Wurzeln musste in den vergangenen zwei Jahren fünf Schulteroperationen über sich ergehen lassen. Die Schmerzen waren manchmal nicht auszuhalten. "Ich war wie gelähmt. Es fühlt sich an wie ein Muskelkrampf, ich konnte meinen Arm nicht mehr bewegen, alles war steif", sagt Kavlak zum STANDARD. Wegen seiner langwierigen Verletzung wurde der Vertrag bei Besiktas Istanbul bis 1. Jänner eingefroren. Bei Besiktas war man nach der durch die GPS-Daten ermittelten Laufleistung im Training der Meinung, Kavlak könne nicht verletzt sein. "Dass er das nur mehr unter enormen Schmerzen schaffte, wurde ihm nicht mehr geglaubt", sagte sein Berater Ercan Kayhan.

Fans platzieren trotz seiner langen Pause noch immer Transparente im Stadion, Kavlak muss für vier Monate auf sein Gehalt verzichten. Im Gegenzug stimmt der Verein einer erneuten Schulteroperation zu. "Ich werde nicht aufgeben, bis ich das gepackt habe." Sein Traum? "Dass der Schmerz aus meinem Kopf verschwindet."

Fehler und Kritik

Rückblick: Sommer 2012. Bei einem Testspiel mit dem ÖFB-Team gegen Rumänien fing die Schulter zu zwicken an. Mehrere Magnetresonanzuntersuchungen in den Folgemonaten blieben ohne Befund. Kavlak kickte zwei Jahre (!) mit Schmerzmitteln, erst im Frühjahr 2014 wurde ihm in Istanbul ein Riss der Bizepssehne diagnostiziert. Die erste Operation erfolgte daraufhin bei einem Schulterspezialisten in München. Auf Empfehlung des prominenten ehemaligen Bayern-Arztes Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, bei dem Kavlak in Therapie ging. "Das war ein Fehler. Ich hätte nicht auf ihn hören sollen."

Bei seiner ersten OP wurde Kavlak die Bizepssehne abgeschnitten. Prognose: fünf Wochen Pause. Die Schmerzen gingen aber nicht weg. "Das war eine OP-Variante für ältere Menschen, aber nicht für Leistungssportler." Nach Monaten des Leidens ließ sich Kavlak in Istanbul noch einmal aufschneiden. Diesmal vom Vereinsarzt von Besiktas. Die Bizepssehne wurde abgeschnitten und mit einer Schraube am Oberarmknochen fixiert.

Albtraum

Es sollte dennoch weiter bergab gehen. "Ich hatte schon ein komisches Gefühl. Soll ich mich vom Teamarzt operieren lassen, der ein Knie-, aber kein Schulterspezialist ist?" Das nächste Jahr brachte Kavlak irgendwie auf und abseits des Rasens über die Runden. Seine anhaltenden Schmerzen verheimlichte er vor der Mannschaft, für die er kaum spielte. "Was hätte ich sagen sollen? Ich habe ja schon alle Therapien probiert." Auch eine Nacken-OP brachte keinen Erfolg. "Ich konnte mir nicht einmal die Zähne putzen, mir keinen Socken anziehen. Mein schlimmster Albtraum ist wahr geworden", sagt Kavlak nüchtern.

Sein jetziger Arzt Peter Habermeyer beurteilte Kavlaks OP in Istanbul zwar als methodisch richtig, sie sei aber nicht sauber durchgeführt worden. Man hätte die Sehne straffen und vier Zentimeter höher auf dem Knochen einschrauben müssen. Also wieder ab unters Messer.

Kavlak kam bei Besiktas in der vorletzten Saison sogar auf 22 Einsätze, spielte neunmal in der Europa League, fast immer über 90 Minuten. Danach wurde es still um den ehemaligen Rapidler. Er will nur wieder Fußball spielen. "Ich kann mich nicht selbst operieren. Du musst anderen Menschen vertrauen, dass sie dir helfen. Am Ende bleibt es an mir hängen. Ich schaue nur mehr nach vorne." (Florian Vetter, 12.10.2016)