Im Sommer holte sich Sarah Lagger im Siebenkampf Gold bei der U20-WM und Silber bei der Jugend-EM.

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Vor acht Jahren entdeckte Georg Werthner die Kärntnerin, als er in 37 Volksschulen Sportmotoriktests an mehreren Hundert Kindern durchführte.

Foto: Roland Werthner

Leon Okafor aus Oberösterreich ist ein Senkrechtstarter, er hat erst im vergangenen Winter mit dem Zehnkampf begonnen.

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Wien – Mit Blick auf den Stephansdom und das Riesenrad, das im entfernten Prater seine Runden dreht, lassen Georg und Roland Werthner über den Dächern Wiens ihr Jahr Revue passieren. Denn in diesem ging es für den Linzer Leichtathletikverein Zehnkampf-Union hoch hinaus: Top-Talent Sarah Lagger holte sich mit 16 Jahren im Siebenkampf den U-20 Weltmeistertitel in Bydgoszcz, Polen, sowie die Silbermedaille bei der Jugend-EM in Tiflis.

"Bei ihrer Siegerehrung zur Weltmeisterin hat es mir die Tränen reingedrückt", sagt Trainer Georg Werthner, selbst viermaliger Olympiateilnehmer im Zehnkampf und Vierter bei den Sommerspielen 1980 in Moskau. Sein Schützling Leon Okafor sicherte sich in Tiflis ebenfalls erst 16-jährig Bronze, Philipp Kronsteiner wurde bei der Jugend-WM im Dreisprung Vierter. "Wir haben heuer eine internationale Bilanz erreicht, die wohl europaweit unübertroffen ist", sagt Roland Werthner.

Bester Nachwuchs Österreichs

Die heute 17-jährige Lagger ist das Kronjuwel unter Österreichs Leichtathletik-Talenten. Vor acht Jahren entdeckte Georg Werthner die Hochbegabte. In 37 Volksschulen in Kärnten hatte er damals Sportmotoriktests durchgeführt. Diese zeigen, ob ein Kind trainingsunabhängiges Talent besitzt. Die Zweitklässlerin Lagger klassierte sich damals im vorderen Feld, schlug etwa beim Sprinttest über zehn Meter die Buben aus der vierten Klasse. Kommenden Sommer ist eine Medaille bei der Jugend-EM in Grosseto, Italien, ihr Ziel – sie will weiter hoch hinaus.

Die internationalen Erfolge waren aber nur die Höhepunkte eines gelungenen Jahres. Die Zehnkampf-Union, von den Brüdern Werthner um die Jahrtausendwende initiiert, stellt national den besten Verein – bei den Frauen schon länger, in der Leichtathletik-Cup-Wertung der Männer seit heuer. "Wir haben beinahe alle Altersstufen dominiert", sagt Roland Werthner. In Zahlen sind das 85 Landesmeistertitel, 44 nationale Meistertitel und mehr als ein Dutzend Rekorde.

"Will man hinauf, muss man es gescheit machen." Und das geht nur mit harter Arbeit. Bei der Zehnkampf-Union wird vor allem ehrenamtlich gearbeitet, 60 Jungsportler, die an rund 40 Wochenenden im Jahr Wettkämpfe bestreiten, werden betreut. "Es ist ein riesiger Aufwand, der nur mit Leidenschaft und Verrücktheit möglich ist", sagt Georg Werthner. Vom Jahresbudget kommen nur 15 Prozent aus Förderungen. Die restlichen 85 Prozent müssen selbst aufgetrieben werden.

Hoch hinaus

Genauso wie die Talente. Die finden die Brüder bei Kinderwettkämpfen im Zehnkampf, die sie nach ihrem eigenen System veranstalten, oder durch Kontakte. Oder durch Talentdiagnostik – so wie es bei Lagger der Fall war. Okafor wurde über einen Turnprofessor vermittelt. Er ist seit Februar im Verein, war davor Turner, spielte Football und hat erst im Winter mit dem Zehnkampf begonnen. In seinem ersten Bewerb überhaupt konnte sich Okafor auf Anhieb für die Jugend-EM qualifizieren. Georg Werthner: "Seine Einstiegsleistungen waren wunderschön." Auch der 16-jährige Senkrechtstarter ist ein Juwel im Verein, von denen es aber mehrere gibt: Rund ein Dutzend habe das Potential für internationale Erfolge – und für Olympia.

"In Österreich muss es das Ziel sein, die besten Nachwuchsstrukturen in ganz Europa zu haben", sagt Roland Werthner. Ihre eigenen wollen die Brüder Schritt für Schritt weiter entwickeln. Aber "insgesamt werden engagierte Zellen wie wir immer weniger". Die Bundestrainer würden die großen Talente irgendwann wegschnappen, dabei sollten die "Zellen" ungestört weiterwirken. Überhaupt würden die staatlichen Strukturen gar nicht oder zu spät reagieren, wenn sich eine Talentschmiede auftut, "es fällt einfach nicht auf". Sarah Lagger musste erst die Silbermedaille bei der U18-WM in Cali im vergangenen Jahr gewinnen, um aufzufallen – sie musste also vorher schon hoch hinaus. (Katharina Siuka, 21.10.2016)