Halle – Im Jahr 2011 identifizierte eine vielbeachtete Studie das Protein Royalactin als vermeintlichen "Königinnen-Faktor", also als jene Substanz, die Bienenlarven zu geschlechtsreifen Königinnen heranwachsen lässt. Nun zeigt eine aktuelle Arbeit, die die Ergebnisse von 2011 überprüfte, dass das Protein nichts damit zu tun hat, welche Art von Biene aus den Larven heran wächst.

Honigbienen füttern all ihre frisch geschlüpften Bienenlarven in den ersten Tagen mit dem Sekret ihrer Futtersaftdrüsen, dem sogenannten Gelée royale. "Dabei handelt es sich um ein sehr nährstoffreiches Gemisch, das unter anderem aus Zucker, Proteinen und Aminosäuren besteht", erklärt Robin Moritz von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Nach wenigen Tagen werden der Nahrung der meisten Larven Honig und Pollen zugegeben – diese werden dann zu Arbeiterinnen. Nur die Larven, die zur Königin bestimmt sind, werden ausschließlich mit dem Futtersaft gefüttert. Die Königin ist die einzige weibliche Biene, die geschlechtsreif und damit für den Nachwuchs des Volks zuständig ist.

"Lange haben Wissenschafter nach einem bestimmten Stoff im Gelée royale gesucht, der die Larven zu Königinnen heranwachsen lässt", sagt Anja Buttstedt, Erstautorin der neuen Studie. Bereits Ende der 1970er Jahre hatte der deutsche Biochemiker Heinz Rembold aber nachgewiesen, dass nicht ein einzelner Stoff dafür verantwortlich ist, sondern es auf die Nährstoffmischung ankommt.

"Durch die besondere Ernährung fressen die Larven mehr, ihr Stoffwechsel wird stärker stimuliert, andere Gene werden exprimiert und das führt zu völlig anderen Entwicklungen im Körper der Biene", so die Biologin. Weil die Königinnen-Larve eine reichhaltige Ernährung bekommt, entwickelt sich ihr Körper anders und auch die Eierstöcke werden komplett ausgebildet. Diese sind bei Arbeiterinnen nur verkümmert vorhanden. Diese Erkenntnis war, so Buttstedt, für viele Jahrzehnte wissenschaftlicher Konsens.

Überraschende Studie aus Japan

2011 sorgte der japanische Forscher Masaki Kamakura mit einer Studie in "Nature" für Aufsehen, in der er ein Protein vorstellte, das angeblich alle Larven zu Königinnen machen sollte: das Protein MRJP1 – besser bekannt als Royalactin. "Die Studie hat Bienenforscher weltweit überrascht", berichtet Moritz. Deshalb wollten die beiden MLU-Biologen Kamakuras Experiment wiederholen und überprüfen.

Die Wissenschafter erstellten, wie Kamakura, ein bereinigtes Gelée royale ohne Royalactin und fütterte dieses an Larven im Labor. Eine Kontrollgruppe erhielt Futter, das wieder künstlich mit Royalactin angereichert wurde. Das Ergebnis: "Weder mit dem bereinigten noch mit dem angereicherten Larvenfutter haben wir besondere Abweichungen bei der Kastenbestimmung von Arbeiterinnen und Königinnen erzielt", so Buttstedt. Auch ohne Royalactin wuchsen aus den Larven Königinnen heran. Wurde das Larvenfutter zusätzlich mit Royalactin angereichert, erhöhte das die Zahl der Königinnen nicht.

Unspektakuläres Royalactin

Im Gegensatz zu Kamakura haben die deutschen Wissenschafter bei ihren Experimenten viele sogenannte Interkasten erhalten, also Bienen mit Eigenschaften von Arbeiterinnen und Königinnen. Diese seien, so Buttstedt, in der Natur zwar sehr selten, in Laborversuchen jedoch typisch und methodisch unvermeidbar. Die Ergebnisse der halleschen Forschergruppe bestätigen die zahlreichen anderen Studien zur Kastenbildung, die in den vergangenen Jahrzehnten von vielen Forschergruppen durchgeführt wurden. Die Rolle des Royalactins im Gelée royale bleibt daher zunächst eher unspektakulär: eine von vielen Eiweißquellen in der Nahrung für Bienenlarven. (red, 16.10.2016)