Gehen Neapolitaner, Sizilianer oder andere Italiener auf britische Schulen wie das Eton College? Für Italien sind sie alle Italiener.

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Die Idee war zweifellos gut gemeint: Beim Ausfüllen der Einschreibformulare für das neue Schuljahr mussten italienische Eltern in einigen Schulen Großbritanniens unter anderem angeben, aus welcher Region sie und ihre Kinder ursprünglich stammten. Mit der Frage sollte abgeklärt werden, ob die Einwandererkinder möglicherweise sprachlichen Stützunterricht benötigten.

Und so stand dann in den Unterlagen der Schulbehörden hinter dem Namen der italienischstämmigen Schüler nicht einfach nur der Vermerk "Italian", sondern gegebenenfalls auch "Italian (Neapolitan)", "Italian (Sicilian)" oder "Italian (Any Other)". Mit "Any Other" dürften die deutschsprachigen Südtiroler gemeint gewesen sein, oder auch die Sarden, deren Dialekt als eigene Sprache gilt.

Die Katalogisierung seiner Landsleute hat dem italienischen Botschafter in London, Pasquale Terracciano, gar nicht gefallen. In einer Protestnote an das britische Außenministerium hat der Diplomat einen umgehenden Verzicht auf die ethnischen Unterscheidungen gefordert.

"Die Straße zur Hölle"

Im Schreiben hat er die Briten außerdem daran erinnert, dass "Italien seit dem 17. März 1861 ein geeintes Land" und derartige Differenzierungen deshalb überflüssig seien. Er sei sich zwar im Klaren darüber, dass es bloß um eventuellen Nachhilfeunterricht gegangen sei, erklärte Terracciano gegenüber der Römer Zeitung La Repubblica. "Aber die Straße zur Hölle ist bekanntlich mit guten Absichten gepflastert, und im vorliegenden Fall sind die Unterscheidungen ungewollt diskriminierend und sogar beleidigend für die Süditaliener."

Als Nichtitaliener mag man sich vielleicht verwundert fragen, wie man die Bezeichnung "Neapolitaner" und "Sizilianer" als beleidigend empfinden kann. Im Stiefelstaat ist es aber tatsächlich so: Im reichen Norden werden die Süditaliener auch heute noch oft als "terroni" beschimpft, was sich ungefähr mit "Dreckfresser" übersetzen lässt. Faul, unzuverlässig, korrupt und mafiös seien die Neapolitaner und Sizilianer, heißt es nördlich des Po arrogant.

Als Neapels Fußballer im Jahr 1990 das letzte Mal den "scudetto" gewannen, die italienische Meisterschaft, wurden sie von der Mailänder Konkurrenz als "afrikanische Meister" verspottet. Botschafter Pasquale Terracciano weiß das alles nur allzu gut: Er ist selbst in Neapel geboren – und im Laufe seiner diplomatischen Karriere wohl unzählige Male mit diskriminierenden Sprüchen konfrontiert gewesen.

Die wahre Erkenntnis

Die Empörung des Botschafters – und der italienischen Medien, die in diesen Tagen ebenfalls breit und ungehalten über das Thema berichtet haben – sagt somit eigentlich viel mehr aus über die Verletzungen der Süditaliener und die Vorurteile der Norditaliener als über den angeblichen Rassismus der britischen Schulbehörden, welche die Diskriminierungen begangen haben sollen. Das sieht man wohl auch auf der britischen Insel so – wo die Unterscheidung Neapolitaner, Sizilianer und andere Italiener dem Frieden zuliebe prompt und ohne großes Aufsehen wieder aufgehoben wurde. (Dominik Straub aus Rom, 14.10.2016)