Berlin – Nur ein Viertel der Patienten mit einem Ösophaguskarzinom überleben langfristig. Jetzt haben Erbgut-Analysen eine Reihe von genetischen Merkmalen bei Adenokarzinomen entdeckt, die etwa die Hälfte dieser Karzinome ausmachen. Das könnte neue Angriffspunkte für eine wirksame Chemotherapie darstellen, stellt die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie (DGVS) fest.

Adenokarzinome befallen die untere Speiseröhre, kurz vor dem Übergang zum Magen. Sie sind oft eine Folge der Refluxkrankheit, bei der Magensäure in die Speiseröhre gelangt. Die Betroffenen spüren dies als Sodbrennen. Die ätzende Säure schädigt die Schleimhaut der Speiseröhre und verändert die Zellstruktur bis Krebs entsteht. Reflux tritt häufig bei übergewichtigen Menschen auf.

"Die Erkrankungszahlen sind in den letzten Jahrzehnten um mehr als das Vierfache gestiegen", berichtet DGVS-Experte Rainer Porschen. Hinzu kommt, dass Adenokarzinome rasch wachsen. Eine Operation komme leider oft zu spät, so Porschen, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Klinikum Bremen-Ost. Viele Patienten sterben innerhalb eines Jahres. Die Effektivität der aktuellen palliativen Chemotherapien sollte daher dringend verbessert werden.

Mehrere Treibergene

In der Fachzeitschrift "Nature Genetics" veröffentlichte Studienergebnisse könnten nun dazu beitragen, wirksame Behandlungsstrategien zu entwickeln: Das Forscherteam um Rebecca Fitzgerald von der Universität Cambridge untersuchte das gesamte Erbgut von jeweils 129 Adenokarzinomen. "Im Genom jedes Tumors fanden sie eine Vielzahl genetischer Veränderungen", erläutert Porschen. Diese erklärten nicht nur, warum die Tumore sich so rasch ausbreiten.

Die Studie zeigte auch, warum moderne Medikamente wie "Tyrosinkinase-Hemmer" den Tumor nicht bremsen können: "Tyrosinkinase-Hemmer schalten gezielt bestimmte Treibergene aus", so Porschen. "Adenokarzinome verfügen aber meist über mehrere Treibergene. Um erfolgreich zu sein, müssten wir mehrere Tyrosinkinase-Hemmer einsetzen und zudem bei jedem Patienten unterschiedliche. Eine Gen-Analyse könnte zeigen, welche Medikamente zu kombinieren wären."

Studien notwendig

Die Forscher fanden außerdem drei genetische Typen des Ösophagus-Adenokarzinoms, die sich in ihren Reparaturmechanismen unterscheiden. Diese Merkmale bieten weitere Ansätze für Medikamente. "Die britische Genom-Studie liefert uns eine Fülle von neuen Hinweisen", sagt Christian Trautwein, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Stoffwechselerkrankungen und Internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Aachen.

Dennoch werde es einige Zeit dauern, bis die Ergebnisse für Patienten bedeutsam werden. Das liegt auch daran, dass Genom-Analysen noch teuer sind. "Es liegt eine große Hoffnung auf den Genom-Analysen, allerdings liefern sie aktuell keine Garantie, ob Medikamente wirken", betont Trautwein. "Ob die gezielte Therapie eines Adenokarzinoms aufgrund einer Erbgut-Analyse funktioniert, werden wir erst wissen, wenn weitere Studien abgeschlossen sind." (APA, 13.10.2016)