Glasfragmente von der Größe eines Sandkorns, sogenannte Mikrotektite, lassen vermuten, dass klimatische Umwälzungen vor 55 Millionen Jahren von einem Kometeneinschlag ausgelöst wurden.

Foto: Megan Fung

Die Forscher um Morgan Schaller entdeckten die für einen großen Impakt charakteristischen Mikrotektite an mehreren Orten entlang der US-Ostküste. Sogar im Meeresboden vor den Bermudas wurden sie fündig.

Illustr.: Schaller et al., Science, 2016

Troy/Wien – Vor 55 Millionen Jahren wurde es auf unserem Planeten plötzlich sehr heiß. Gut elf Millionen Jahre nachdem ein Meteoritentreffer die Dinosaurier und fast drei Viertel aller übrigen Arten ausgelöscht hatte, war es auf der Erde mit durchschnittlich 18 Grad Celsius ohnehin schon ziemlich warm. Dann aber fand ein Ereignis statt, das die Menge an Treibhausgasen in der Atmosphäre schnell und massiv nach oben trieb und die Temperaturen innerhalb weniger Tausend Jahre auf bis zu 23 Grad Celsius anhob. Wissenschafter nennen diese Phase das Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum (PETM).

Interessant ist das PETM für Klimaforscher besonders deshalb, weil es Parallelen zur heutigen Klimaentwicklung aufweist und nachvollziehbar macht, welchen Einfluss ein rasanter Temperaturanstieg auf die globalen Ökosysteme hat. Damals führte die nur 200.000 Jahre andauernde Wärmephase vor allem in den Ozeanen zu weiträumigen Wanderbewegungen von Flora und Fauna. Jene Arten, denen weder die Übersiedelung gelang, noch eine Anpassung an die neuen Umstände, starben aus. Einen bedenklichen Unterschied zur aktuellen Entwicklung gibt es allerdings: Heute pumpt der Mensch etwa zehnmal schneller Kohlendioxid in die Atmosphäre, als damals auf natürlichem Wege freigesetzt wurde.

Rätseln über die Ursache

Die Auslöser für den dramatischen Klimaumsturz sind bis heute Gegenstand zahlreicher Spekulationen. Zu den am häufigsten genannten potenziellen Ursachen für die atmosphärische Kohlendioxid- und Methananreicherung zählen massive Vulkanausbrüche und ein neuerlicher Einschlag eines Objekts aus dem All. Für Letzteres haben nun US-Geologen erstmals stichhaltige Hinweise in Form winziger Glaskügelchen entdeckt.

Das Team um Morgan Schaller vom Rensselaer Polytechnic Institute in Troy, New York, fand die sogenannten Mikrotektite bei mehreren Bohrungen im US-Bundesstaat New Jersey an der Basis einer sehr feinkörnigen, rund zehn Meter dicken Tonschicht. Derartige Glaskügelchen von Sandkorngröße entstehen, wenn ein Geschoß aus dem All auf die Erde trifft und fortgeschleudertes geschmolzenes Gestein sich im Flug wieder verfestigt.

Die Tonablagerung mit den Mikrotektiten lässt sich an mehreren Orten an der US-Ostküste nachweisen und dürfte nach Ansicht von Schaller in einem sehr kurzen Zeitraum entstanden sein. Datiert werden diese Untergrundschichten auf ein Alter von 55,6 Millionen Jahre, was ziemlich genau mit dem plötzlichen Anstieg von Treibausgasen und den damit verbundenen klimatischen Folgen zusammenfällt.

Zweifel an den Zeichen

"Es scheint mir mehr als ein Zufall zu sein, dass es genau zu Beginn des Paläozän/Eozän-Temperaturmaximums einen großen Impakt gegeben hat", meint Schaller. Wie der Brocken aus dem Weltraum, vermutlich ein Komet, den Treibhauseffekt in Gang gesetzt hat, dafür schlagen die Forscher im Fachjournal "Science" mehrere Szenarien vor. Zum einem dürfte der Impaktor selbst einen Teil des Kohlenstoffs mitgebracht haben. Zum andern könnte der Einschlag kohlenstoffreiche Sedimente und gefrorenes Methan vom Meeresboden freigesetzt haben.

Allerdings sind nicht alle Fachkollegen mit dieser Interpretation einverstanden. Christian Köberl, Impaktforscher und Direktor des Naturhistorischen Museums Wien, meint etwa, dass die Mikrotektite zwar tatsächlich auf einen Einschlag hinwiesen, doch wann dieser stattgefunden habe, sei aus ihrer Position im Erdreich nicht zweifelsfrei abzulesen. Sie könnten durchaus von einem Impakt aus einer völlig anderen Epoche stammen und erst später in der betreffenden Tonschicht angereichert worden sein. (Thomas Bergmayr, 13.10.2016)