Ob Sie es glauben oder nicht: Diese Pyramiden sind beide weiß.

Belvedere

Wien – 1951 machte der Psychologe Solomon Asch in den USA ein erstaunliches Experiment zum Gruppenzwang. Einen Wahrnehmungstest vorschützend, zeigte er seinen Probanden drei verschieden lange Linien und gab ihnen die banale Aufgabe, in Teamarbeit jene auszuwählen, deren Länge einer vierten Linie entsprach. In die Gruppe schleuste er indes Eingeweihte ein, die gemeinsam felsenfest für eine falsche Lösung votierten. Und siehe: Obwohl die richtige Linie völlig augenscheinlich war, übernahmen etliche Probanden die Ansicht der "Mehrheit".

Ein wenig Licht auf diesen verblüffenden Versuch fällt aktuell in einer Mini-Personale von Anna Jermolaewa im 21er-Haus. Die Wiener Künstlerin widmete dem "Konformitätsexperiment" eine Installation aus Neonröhren (2015), die Aschs Testlinien nachempfunden ist.

Gute, aber auch gut versteckte Geschichten

Jermolaewas Recherche ging aber noch weiter, verweist der Titel ihrer Schau – Beide Weiß – doch auf eine Variation des US-Versuchs durch die sowjetische Psychologin Valeria Mukhina. Deren Testpersonen ließen sich unter Gruppendruck gar darauf ein, ein schwarzes Objekt für Weiß zu erklären. Die schöne Ironie daran ist, dass Mukhina ursprünglich beweisen wollte, dass UdSSR-Probanden weniger manipulierbar seien als jene in den USA.

Es sind solche facettenreichen Geschichten, für die Jermolaewa (geb. 1970 in St. Petersburg) einen zielsicheren Blick hat und die sie in Fotos, Videos, Zeichnungen, Installationen verpackt – mitunter aber leider auch versteckt. Im Falle der Werkgruppe zum Konformitätsexperiment muss man sich den Schmäh nämlich eher erlesen. Jermolaewas Aquarelle, die etwa Menschengruppen beim Reflektieren über schwarze und weiße Pyramiden zeigen, sind für sich genommen ein wenig schal.

Von Katzen im Museum und Bärten in Disneyland

Zur Entfaltung kommt die Pointe dagegen etwa in einer Arbeit von 2013 über jene Katzenliebe, die in der St. Petersburger Eremitage gepflegt wird, seit den Tieren einst als Rattenfängern "Mitarbeiterstatus" zukam. Oder in Disney-Look (2016), worin auf witzige Art das quasiautoritäre Regime hinter einer Scheinwelt erörtert wird: Zu sehen ist u. a. das Faksimile eines Leitfadens, der Disneyland-Mitarbeitern einst bis ins Detail vorschrieb, wie sie sich zu "stylen" haben. So erfährt man etwa, dass der Bartträger Walt Disney Gesichtsbehaarung bei Aufsehern, Ticketverkäufern etc. lange Zeit streng reglementierte. (Roman Gerold, 15.10.2016)