
Damir Canadi weist seit 2013 Altach den Weg.
Wien – Andreas Lukse, Altachs Tormann und die Nummer drei im österreichischen Nationalteam, hatte am Samstagabend im Allianz-Stadion ein gravierendes Wahrnehmungsproblem. Ihm ist völlig entgangen, dass der Rapidler Srdjan Grahovac in der 75. Minute ausgeschlossen wurde. "Ich habe aus der Trinkflasche getrunken, war in mich gekehrt, habe gar nicht gemerkt, dass es im Mittelfeld ein Gerangel gegeben hat." Und so musste er nach diesem Hinweis seine "Zufriedenheit" korrigieren. Altach hatte 1:0 geführt, in Überzahl fiel noch der späte Ausgleich durch den Kopf von Innenverteidiger Christoph Schösswendter (89.). "Da wir einer mehr waren, ist das Ergebnis nun doch enttäuschend."
Wurm drin
Rapid, von gepflegtem Fußball ungefähr so weit entfernt wie Romanautorin Vera Russwurm vom Literaturnobelpreis, konnte sich das Remis schönreden. Wie super die Moral doch sei, man habe gekämpft, "die Arschbacken zusammengeknallt" (Copyright Sportvorstand Andreas Müller). Die Grün-Weißen feiern momentan wenig, den Selbstbetrug ausgenommen. Immerhin funktioniert das schmucke Stadion, es sind 22.000 Fans erschienen. Altach hat sich in der Vereinsgeschichte, die 1929 begann, noch nie vor einer größeren Kulisse gezeigt. Lukse, ein Ex-Rapidler, war perplex. "Weltniveau, irre Stimmung."
Den Vorarlbergern bleibt ihre herzige Cashpoint-Arena, sie sind wahrhaftig Zweiter. Der Architekt des Erfolgs ist nicht nur, aber schon auch Trainer Damir Canadi. Der 46-jährige Wiener ist "stolz, Betreuer dieser Mannschaft zu sein". Die habe Rapid in Schach gehalten. "Früher wären wir gekommen, um Urlaubsfotos zu schießen. Jetzt nehmen wir einen Punkt mit." Die Entwicklung sei noch nicht abgeschlossen. Lukse kennt das Erfolgsrezept. "Wir wissen, was wir können und was wir nicht können. Entscheidend ist die Defensive. Wir haben immer einen Plan B und notfalls einen Plan C parat."
Canadi lobt den Zusammenhalt, die Lernfähigkeit, die realistische Selbsteinschätzung. Vor zwei Jahren sorgte man als Aufsteiger für Furore, in der vergangenen Saison stemmte man sich gegen den Abstieg. "Und nun haben wir den qualitativ besten Kader, seit es uns gibt."
Kein Plan B, kein Plan C oder D
Sportchef Georg Zellhofer verpflichtete die Kameruner Nicolas Ngamaleu und Dimitri Oberlin, die schlugen voll ein. Bei Rapid saßen Ivan Mocinic, Arnor Traustason und Giorgi Kvilitaia auf der Bank, die drei haben insgesamt rund sechs Millionen Euro gekostet. Für österreichische Verhältnisse eine fast wahnwitzige Summe. Sie sollten für Qualität sorgen. Trainer Mike Büskens: "Sie brauchen Zeit." Verschärfend wirkt die Tatsache, dass jene, die spielten, maximal ihre Verwandten entzückten. Rapid hatte 68 Prozent Ballbesitz, aber erneut keinen Plan B, C oder D. Abgesehen von der Schlussphase, in höchster Not mimte Schösswendter den dritten Mittelstürmer. Eine der vielen hohen Flanken hat er verwertet. Büskens sagte angesichts des Rückstands von elf Zählern auf Sturm Graz: "Die Tabelle stellt uns nicht zufrieden, genauso wenig wie sie Salzburg zufriedenstellt. Über Altach fährt man halt nicht drüber."
Canadi lässt mittlerweile Fragen nach einer möglicher Teilnahme an der Europa League zu. "Warum nicht? Wir nehmen Herausforderungen an, würden in Europa keine Urlaubsfotos schießen." (Christian Hackl, 17.10.2016)