Wien – Eigentlich passieren Steuerreformen in Österreich "im Blindflug", sagt der Ökonom Mathias Moser. Zwar gibt es ausführliche Statistiken, wer wie viel an Lohn- und Einkommensteuer zahlt, Mangelware sind aber Daten zur Gesamtabgabenlast von Einzelpersonen und Haushalten. Der Verein Respekt.net hat daher gemeinsam mit der Wirtschaftsuniversität Wien eine Studie vorgelegt, bei der auch berücksichtigt wird, welche Einkommensgruppen wie viel an Kapitalertragsteuern, Konsumsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen zahlen.
Ein zentrales Ergebnis: Im mittleren Einkommensbereich, also zwischen dem 30. und 80. Perzentil (ein Perzentil entspricht einem Prozent der Haushalte), gibt es abgesehen von kleineren Schwankungen de facto eine Flat Tax von knapp unter 40 Prozent des Bruttojahreseinkommens. Es ändert sich lediglich die Zusammensetzung der Steuerbelastung. Der Anteil der konsumbezogenen Abgaben sinkt kontinuierlich, jener der Einkommensteuer steigt, wie diese Grafik zeigt:
In absoluten Zahlen ist aber natürlich die Belastung in den oberen Einkommensgruppen wesentlich höher, wie das zweite Chart zeigt:
Unterschiede im System
Zur Erklärung unseres Steuersystems: Die Einkommensteuer ist progressiv gestaltet, steigt also mit dem Einkommen, die Mehrwertsteuersätze und die Kapitalertragsteuer (27,5 Prozent) sind für alle gleich, Sozialversicherungsbeiträge werden nur bis zur Höchstbeitragsgrundlage eingehoben, danach nicht mehr.
All das führt dazu, dass bei den höheren Einkommen die Gesamtbelastung steigt – auf rund 47 Prozent im 96. Perzentil. Das oberste Prozent, also die absoluten Spitzenverdiener, hat dann wieder eine deutlich niedrigere Gesamtbelastung (knapp unter 40 Prozent).
Diese Gruppe verfügt über ein Jahresbruttoeinkommen von über 400.000 Euro und sticht statistisch besonders hervor. Während die Einkommen bis dorthin relativ konstant steigen, verdient das oberste Perzentil doppelt so viel wie das 99. Perzentil.
Studienmitautor Stefan Humer geht sogar davon aus, dass die tatsächliche Belastung für die absoluten Topverdiener noch geringer ist. Absolut repräsentativ sind die verwendeten Daten nämlich nicht. Sie basieren zum einen auf Vermögensstatistiken der Nationalbank, zum anderen auf Konsumerhebungen der Statistik Austria, aber auch auf einer Steuerumfrage, die über die Plattform steuernzahlen.at erhoben wurde.

Schwierige Datenlage
Bei Letzterer haben zwar 13.000 Menschen mitgemacht, verwendet werden konnten aber nur 2.000 Datensätze – und auch die sind nicht repräsentativ (der Männeranteil liegt bei 80 Prozent).
Auch wenn man nun etwas bessere Informationen über die Spitzenverdiener habe, sei davon auszugehen, dass die Einkommen des obersten Prozents noch unterbewertet seien, sagen Humer und Moser. Umgekehrt seien auch die Daten für die untersten fünf Prozent nicht verlässlich, räumen sie ein. Gefordert sei daher auch das Finanzministerium, in Zukunft umfassende Erhebungen zur Gesamtabgabenbelastung durchzuführen. Nur so sei es möglich, eine zielgerichtete Steuerpolitik zu machen. (Günther Oswald, Gerald Gartner, 18.10.2016)