Holzforscher Stefan Pinkl arbeitet an einer Lösung für formaldehydfreie Spanplatten.

Foto: Pinkl

Tulln – Viele Spanplatten enthalten noch immer Klebstoffe mit Formaldehyd. Wenn auch die Menge der krebserregenden Verbindung, die die Holzwerkstoffe ausgasen dürfen, stark reglementiert ist, kommt die Möbelindustrie nicht ohne den chemischen Grundstoff aus. Stefan Pinkl vom Kompetenzzentrum Holz am Universitäts- und Forschungszentrum Tulln der Uni für Bodenkultur (Boku) arbeitet an einer Alternative zu Formaldehydharzen. Im Rahmen des Projekts "EcoGlue" forscht er mit Kollegen an einem Holzbindemittel, das nicht nur völlig frei von potenziell giftigen Substanzen ist, sondern auch kostengünstig und umweltschonend hergestellt werden kann – aus Abfällen der Lebensmittelindustrie.

"Was wir entwickelt haben, kann man für jegliche Art der Holzverklebung verwenden, für Spanplatten, Massivholz oder Dämmstoffe", sagt Pinkl. Der 1987 geborene Niederösterreicher studierte Holztechnologie an der Boku. Dort – in der Arbeitsgruppe von Wolfgang Gindl-Altumutter am Institut für Holztechnologie und nachwachsende Rohstoffe – entstand die Idee für das ökologische Bindemittel, das nun Thema von Pinkls Doktorarbeit ist.

"Die Grundidee ist, das Holz mit einer Substanz zu verkleben, die ihm chemisch gesehen ziemlich ähnlich ist", so der Holzforscher. "Als Ausgangsstoffe kommen etwa Zuckerrübenschnitzel, Biertreber, der in Brauereien übrig bleibt, oder Kartoffelpülpe, ein Reststoff bei der Gewinnung von Stärke, infrage." Die Stoffe enthalten Pektin, Protein und Zellulose. Und auch der klebrige Restzucker aus den Rüben komme den Eigenschaften des Öko-Bindemittels zugute.

Der Clou: Die pflanzliche Biomasse wird fibrilliert, also zu kleinsten Partikeln zermahlen, die aufgrund ihrer großen Oberfläche gut zusammenhaften. "Es ist dasselbe Prinzip wie beim Gecko, der dank seiner Nanohärchen an der Wand entlang laufen kann", erklärt Pinkl. Werden Hölzer mit den pflanzlichen Nanopartikeln verpresst, haften sie ähnlich gut wie die verklebten Feststoffe, so der Holzforscher.

Einen Haken gibt es allerdings noch: "Wir kleben bisher nur die ersten Zellreihen aneinander. Für Spanplatten oder Leimbinder brauchen wir aber kleinere Moleküle, die in tieferliegende Zellreihen eindringen", sagt der Forscher. Anstelle einer Säurebehandlung, die die Moleküle aufbricht, bevorzugen die Entwickler eine umweltfreundlichere Variante: "Enzyme können die Inhaltsstoffe abbauen und zu kleineren Molekülen aufbrechen. Das funktioniert gut, dauert aber länger als eine Säurebehandlung."

Bis das neue Bindemittel die Wohnzimmermöbel zusammenhält, werden noch einige Jahre vergehen. Das bereits Erreichte wurde kürzlich mit dem von Boku, Tecnet Equity und dem Accent Gründerservice ausgeschriebenen niederösterreichischen Innovation Award 2016 prämiert.

Für Pinkl hat sein Forschungsinteresse auch mit der Prägung zu tun, die er am heimatlichen Bauernhof in Hainburg an der Donau erfuhr. "Es geht um Technologien, die nahe an der landwirtschaftlichen Produktion liegen." Die wissenschaftliche Arbeit wirkt sich auch auf die Arbeit zu Hause aus: "Man wird offener und experimentierfreudiger. Warum zum Beispiel nicht etwas Exotisches wie Kichererbsen anbauen?" (Alois Pumhösel, 19.10.2016)