Foto: Getty Images/iStockphoto/Ljupco
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Pro
von Doris Priesching

Wer von einer Auslandsreise heimkehrt, kennt das Phänomen: Spätestens am Gate des Abflughafens besteht kein Zweifel mehr, dass man sich "tu felix Austria" nähert. Das hat weniger mit Fragen des Äußeren zu tun – Unsicherheit in Geschmacksfragen ist ein, jedoch nicht das einzige Erkennungsmerkmal der Mehrheitsmenge an Menschen österreichischer Herkunft.

Es ist mehr das Ausmaß an Unhöflichkeit, das diese aeroben Begegnungszonen kennzeichnet. So scheint der austriakische Flugpassagier zu glauben, er müsse einem inneren Auftrag gehorchen, der ihn dazu verpflichtet, a) sich auf mindestens drei Plätzen breitzumachen, b) stinkende Lebensmittel zu verzehren, c) Türen Nachkommenden möglichst frontal draufzuknallen – und, ganz wichtig, d) Fremden nie, niemals einen freundlichen Blick zuzuwerfen.

Das lockere "Gut schaust aus" kann in diesem Zusammenhang als unehrlich abgekanzelt werden. Es ist aber um einiges besser als frustiges Flughafenverhalten. Mehr Komplimente braucht das Land!

Kontra
von Ljubisa Tosic

Der Austausch von Nettigkeiten mag dem Zusammenleben in urban-engen Ballungsräumen grundsätzlich friedvolle Dienste erweisen. Besagte Dreiwortphrase trägt in sich jedoch das Potenzial, konfliktschürende Missverständnisse zu befeuern. "Gut schaust aus" deutet latent an, der Komplimentverteiler würde eine unangenehme Überraschung erlitten haben. Der Gemeinte kam ja nicht in jener leichenblassen Siechverfassung daher, die erhofft wurde.

Schleicht sich in den Tonfall der drei Wörtchen auch noch der winzigste Hauch von Ironie ein, werden sie allerdings zu kränkendem Dynamit. Das klingt dann schnell nach "Gut schaust aus – aber nur vom Weiten" oder "Gut schaust aus – für jemanden, der öfters wirkte, als würde er schon lange an seinem eigenen Nachruf schreiben".

Komplimente sind schwer auszuhalten. Verbal übermittelte ganz schwer. Wenn sie schon sein müssen, dann besser in nonverbaler Form. Niemals also das volksmündliche Sprichwort vergessen: "Hättest du geschwiegen, wärest du ein Freund geblieben." (RONDO, 21.10.2016)