Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Team wächst auch durch Vielfalt.

Foto: Getty/ondine32

Katharina Herrmann setzt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Gleichberechtigung auseinander.

Foto: ING-DiBa

Unternehmen und Gesellschaft profitieren von Diversität, deshalb muss vor allem die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleistet sein, sagt Katharina Herrmann, die seit 2011 dem Vorstand der ING-DiBa AG Deutschland angehört. Im Rahmen der Kooperation "Mitreden Macht Zukunft" geht sie auf Fragen der Poster zu ihrem Beitrag "Die Einkommensschere schließt sich nicht von allein: Wirtschaft und Politik sind am Zug" ein.

Katharina Herrmann: Es stimmt, dass nur ein Teil des Unterschiedes mit Faktoren wie Alter, Berufswahl und Vollzeit- oder Teilzeitstelle (trotz Bereinigung) erklärt werden kann. Konkret lassen sich einer Studie der Statistik Austria zufolge darauf aber nur 38 Prozent des Gender-Pay-Gaps zurückführen, 62 Prozent sind hingegen strukturellen Faktoren geschuldet. Was bedeutet das? Eher nicht, dass die Berechnungsmethoden per se nicht stimmen, sondern dass hier quasi gelernte, strukturelle und psychologische Aspekte aktiv werden: Eine Studie aus Australien zeigt, dass wenn Frauen und Männer gleiche Gehaltserhöhungen fordern, die Chance für Frauen um 25 Prozent geringer ist, eben diese zu bekommen. Meiner Meinung nach können Statistiken niemals die ganze Wahrheit aufzeigen, sondern immer nur Ansatzpunkte für Diskussionen liefern. Die vorliegenden Zahlen geben zumindest mir zu denken.

Herrmann: Ein sehr guter Aspekt. Unternehmen müssen die Männerkarenz aktiv unterstützen, fördern und für eine Akzeptanz unter allen Mitarbeitern sorgen. Glaubt man Erfahrungsberichten, werden in vielen Unternehmen und oft auch im Bekanntenkreis Männern hier immer noch Steine in den Weg gelegt – egal ob offen oder eher unterschwellig. Somit ein Aufruf an die Männer: Fordert eure Rechte ein! Denn eine Rechtsgrundlage dafür gibt es. Es ist zudem etwas anderes, ob Väter nur einen Monat zu Hause sind oder fast die komplette Elternzeit – so wie mein Bruder es getan hat. Er hat eine wunderbare Beziehung zu seinen Zwillingen und kann jedem Vater nur raten, diese tolle Erfahrung zu machen. In meinem Unternehmen ermöglichen wir Frauen und Männern nach der Karenz den Wiedereinstieg in ihre bisherigen Positionen, damit die Karriere mit der Karenz nicht endet, sondern danach fortgesetzt werden kann. Das Tandem-Modell hat sich auch für Führungspositionen bewährt. Das heißt, dass sich zwei Führungskräfte eine Position teilen und so auch mit weniger Stunden pro Person Verantwortung tragen und aufsteigen können.

Herrmann: Das ist definitiv richtig. Die Berufswahl erklärt einen Teil der Gehaltsschere. Außerdem sind Branchen, in denen über 60 Prozent Frauen arbeiten, systematisch schlechter bezahlt. Ein Lösungsansatz wäre, Buben und Mädchen nicht geschlechterspezifisch, sondern individuell zu fördern und klassische Geschlechterklischees reflektiert zu betrachten. Das sollte die Grundlage aller politischen Bemühungen in diese Richtung sein. Es zeigt sich immer wieder, wie schwer es ist, gelernte Rollenbilder aus den Köpfen zu bekommen. Rein faktisch gibt es nämlich keinen Grund für eine geschlechterspezifische Berufswahl.

Herrmann: Es gibt unzählige Studien, die sich wissenschaftlich fundiert und klar belegt mit dem Gender Pay Gap auseinandersetzen. Nämlich nicht nur mit der Lohnschere selbst, sondern natürlich auch mit den jeweiligen Ursachen für diese. Wichtig ist es jedenfalls, die Situation nüchtern und lösungsorientiert zu betrachten. Kommende Studien sollten sich – vor allem im nationalen Kontext – mit Betreuungsverhältnissen beschäftigen und sich die Verteilung der Betreuungsarbeit in Familien ansehen. Notwendig ist auch, wissenschaftlich zu erheben, wie die jeweilige Berufswahl zustande kommt.

Herrmann: Wirtschaftswachstum wird natürlich durch viele Indikatoren erklärt. Bei hoher Ungleichheit zwischen Männern und Frauen gepaart mit geringem Wirtschaftswachstum handelt es sich aber nicht um direkte Korrelation, sondern um Zusammenhänge zwischen mehreren Merkmalen, die qualitativ bewertet werden. Zu diesem Thema gibt es eine Studie der Vereinten Nationen: Ein Faktor in Bezug auf geringe Ungleichheit, der sich positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirkt, ist die größere Autonomie für Frauen durch finanzielle Unabhängigkeit. Diese korreliert dann mit höheren Ausgaben für Erziehung und Gesundheit der Kinder.

Herrmann: Guter Punkt. In dem im Artikel erwähnten Beispiel ging es nicht darum, dass wir diese Kandidaten für die Position abgelehnt haben, weil es Männer waren. Ich habe damals einfach nicht glauben können, dass es für alle drei Positionen nicht noch weitere geeignete Kandidatinnen gibt. Daher der Auftrag nochmals zu suchen. Und tatsächlich hat sich gezeigt, dass es weitere Kandidaten bzw. Kandidatinnen gab. Am Ende haben wir dann alle drei Positionen mit bestens geeigneten Frauen nachbesetzen können. Ich kann jede Führungskraft, die eine Stelle zu besetzen hat, nur ermutigen, über die offensichtlichen Kandidaten hinaus zu suchen. Oft gibt es auch tolle andere Profile, die das Team bereichern und Diversity – also die Vielfalt – fördern. (Katharina Hermann, 25.10.2016)