Auf dem Dach eines Abschiebezentrums in Madrid protestierten dutzende Flüchtlinge und forderten "Libertad" – Freiheit.

Foto: AFP / Javier Soriano

"Hier befinden sich kranke Insassen. Sie behandeln uns wie Hunde. Freiheit!", hallte es in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch immer wieder durch die Straßen von Aluche, einem Arbeiterviertel Madrids. 39 Insassen des Internierungszentrums für Ausländer (CIE) in der spanischen Hauptstadt hatten nach dem Abendessen das Dach besetzt. Erst elf Stunden später gaben sie auf und stiegen hinunter.

Ein großes Polizeiaufgebot hatte das Gebäude auf dem Gelände eines ehemaligen Gefängnisses die ganze Nacht über umstellt. Sie hielten eine Delegation der Madrider Stadtverwaltung, die vermitteln wollte, ebenso vom Betreten der Einrichtung ab wie mehrere Abgeordnete und Senatoren der jungen Antiausteritätspartei Unidos Podemos (UP).

"Ein schwarzes Loch für Menschenrechte"

Nach dem Ende der Proteste im CIE blieben die Politiker und Mitglieder von Flüchtlingshilfsorganisationen vor dem Gebäude und forderten einmal mehr die sofortige Schließung der Abschiebeeinrichtungen in Spanien. "Die CIEs sind ein schwarzes Loch für Menschenrechte", erklärt Maribel Mora Grande, Senatorin von UP. "Die Insassen sind alles Menschen, die ein besseres Leben suchen oder vor unerträglichen Zuständen in ihrer Heimat davongelaufen sind", fügt sie hinzu.

In Madrid sitzen rund 300 Menschen in Abschiebehaft. "Ohne Papiere im Land zu sein ist kein Verbrechen, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit", sagt Mora Grande. Die Betroffenen in gefängnisähnlichen Zuständen festzuhalten sei nicht gerechtfertigt.

Allein 2015 wurden knapp 7000 Personen in den CIEs inhaftiert. Nur 41 Prozent von ihnen konnten innerhalb der gesetzlich vorgesehenen 60-Tage-Frist tatsächlich abgeschoben werden. Der Rest wurde wieder auf freien Fuß gesetzt: mit einem Abschiebebefehl in der Tasche, aber ohne jegliche Ausweispapiere. Sie leben fortan in einem völlig rechtsfreien Zustand.

Keine ärztliche Versorgung

In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Protesten für eine Schließung der acht CIEs in Spanien. Hilfsorganisationen und selbst die Uno kritisieren die Zustände dort. Die Betroffenen leben in Zellen, werden nachtsüber eingeschlossen, müssen die Wächter verständigen, um aufs WC zu gehen. Einfache "sin papeles", Papierlose, leben mit verurteilten Straftätern zusammen. Es fehlt an ärztlicher Versorgung, die Verpflegung ist schlecht. Sozialdienste wurden im Laufe der Sparpolitik zusammengestrichen, bei Hofgang und in den Aufenthaltsräumen fehlt es an Sportgeräten, Büchern und sonstigen Gegenständen für den Zeitvertreib.

Angehörigenbesuche dürfen nur mit Trennscheibe stattfinden, als würde es sich um Schwerverbrecher handeln. Selbst die Polizeigewerkschaft spricht von "ungesunden Zuständen". Der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung beschwert sich über eine "fehlende Regulierung des Betriebs" der Internierungseinrichtungen. Das führe dazu, dass jedes CIE seine eigene Norm habe. Dies wiederum bedeute das völlige Fehlen rechtlicher Garantien für die Insassen.

Abschiebezentren wie jene in Spanien gibt in ganz Europa. Sie entstanden im Zuge des Schengener Abkommens von 1985 über die Öffnung der Grenzen innerhalb der Europäischen Union. Das Madrider CIE ist eines der berüchtigtsten. Unter den Migranten in ist es als "spanisches Guantánamo" bekannt. (Reiner Wandler aus Madrid, 20.10.2016)