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FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache verschwendet auf seiner Facebookseite keine Worte – er lässt seine Fans sprechen. Und die scheinen auch in der Öffentlichkeit keine Grenzen der Moral zu kennen, wenn es gegen Flüchtlinge geht. Straches Seite ist nur ein Beispiel für Hetze im Netz, die immer öfter auch die Justiz beschäftigt.

Foto: reuters/foeger

Wien – Mit dem Wochenbeginn kam der Ruf zur Besonnenheit. "Ich distanziere mich ganz klar von Hasspostings und Gewaltaufrufen und fordere einmal mehr dazu auf, diese zu unterlassen!", postete FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Montagnachmittag auf seiner Facebookseite – wenige Stunden nachdem die Staatsanwaltschaft Wien bekanntgegeben hatte, sich von Amts wegen mit den Hasspostings auf Straches Seite auseinandersetzen.

Wer Straches Ordnungsruf am Montag für eine klare Abgrenzung von Hetze auf seiner Facebookseite hält, irrt. Bereits tags darauf, am Dienstag, legte Strache noch ein Schäufelchen nach. "Wer die Wahrheit schreibt, wird in unserer linken Meinungsdiktatur als Hetzer diffamiert", wetterte der FPÖ-Chef in einem Kommentar auf Facebook, "sie wollen offensichtlich die Meinungsfreiheit einschränken. Aber es wachen zum Glück immer Bürger auf!:-)"

Nur weiter so

Es ist ein bekanntes Muster: Die Täter, die Mordgelüste äußern, werden zu Opfern einer dunklen, autokratischen Macht stilisiert. Hass ist dann nicht mehr Hass, sondern "die Wahrheit". Der implizite Aufruf lautet: Macht nur weiter so.

Als hätten die Staatsanwaltschaften nicht schon genug zu tun mit Hassdelikten. Lag der Anfall an Verhetzungsverfahren im Jahr 2013 noch bei 241 Verfahren, stiegen sie 2014 auf 334 Fälle, im Vorjahr mussten die Anklagebehörden schon 513 Fälle bewältigen. In den ersten drei Quartalen 2016 waren es bereits 486 Verfahren. "Das Umfeld hat sich geändert", sagt Staatsanwältesprecher Gerhard Jarosch zum STANDARD. "In den sozialen Medien macht sich eine Radikalisierung bemerkbar, die schockierend ist.

Im österreichischen Durchschnitt münden knapp 16 Prozent dieser Fälle in eine Anklage. In Wien, auf das ein Drittel aller Verhetzungsverfahren fällt, ist die Anklagewahrscheinlichkeit deutlich geringer, sie lag im Vorjahr bei nur drei Prozent, stieg aber heuer auf neun Prozent an. Bundesweit zeigt sich auch, dass immer mehr Gerichtsverfahren mit einer Verurteilung enden. Im Vorjahr gab es 80 Anklagen und 44 Verurteilungen wegen Verhetzung.

Jarosch führt das auch auf die Novellierung des Verhetzungsparagrafen zurück. Musste man vor 2016 noch vor rund 150 Personen hetzen, um strafrechtlich belangt zu werden, reicht heute eine Gruppe von 30 Menschen.

Schwierige Kooperation

Verhetzungsgesetze zu verschärfen sei "ein internationaler Trend", sagt Jarosch, wobei Österreich hier zu den Vorreitern gehöre. Zugleich wird es immer schwieriger, Verhetzung zu ahnden: Anbieter sozialer Plattformen wie etwa Facebook weigern sich häufig, mit der Justiz zu kooperieren.

Zwar gelinge es mittlerweile besser, Facebook zum Löschen einzelner Postings zu bewegen, sagt Jarosch. Oft scheitert das Ausforschen von Tätern aber daran, dass Seitenbetreiber die IP-Adressen der Nutzer nicht herausgeben. Die Justiz ist dann darauf angewiesen, dass User mit ihren Klarnamen posten und dass diese Namen der betreffenden Person eindeutig zuordenbar ist. Und das ist oft nicht der Fall.

Damit ein derartiger Fall überhaupt Chancen hat, strafrechtlich verfolgt zu werden, ist die Justiz jedoch auf Anzeigen angewiesen. Dass die Behörden – wie im Fall der Hetze auf Straches Facebookseite – von Amts wegen tätig werden, ist eher der Ausnahmefall, da ein ständiges Screening sozialer Medien nicht machbar ist.

Genau das verlangt jedoch die Onlineinitiative "Stoppt den Hass!" der Kampagnenplattform #aufstehn, die derzeit von 12.800 Personen unterstützt wird. Sie fordert vom zuständigen Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP), dass die Staatsanwaltschaften regelmäßig "einschlägige Seiten" überwachen und Hassposter verfolgen. (Maria Sterkl, 19.10.2016)