Wien – Der Wiener Landtag hat am Donnerstag in einer von den Neos begehrten Sondersitzung die bereits viel diskutierte Wiederholung der Bezirksvertretungswahl in der Leopoldstadt debattiert. In einem waren sich die Parteien zumindest einig: Das Wahlrecht könnte Änderungen vertragen. Wie diese aussehen sollen, darüber gingen die Meinungen aber mehr oder weniger weit auseinander. Neos-Landesobfrau Beate Meinl-Reisinger argumentierte eingangs in der Sitzung, die den Titel "Konsequenzen aus dem Wahlkartendebakel in der Leopoldstadt! Neos gibt den Startschuss für eine umfassende Wahlrechts- und Demokratiereform" trug, dass man nach dem "Wahlkarten-Debakel" nun die politische Verantwortung zu klären habe.

Sie brachte zum Rednerpult zwei mit insgesamt 799 Buntstiften gefüllte Plastiksäcke mit. Diese stünden als Sinnbild für die "Wähler mit kaputten Wahlkarten, die ihre Stimme abgegeben haben, aber nicht gezählt wurden". Die pinke Partei übt nach wie vor Kritik an der Durchführung der Bezirkswahl, focht diese aber nicht an, da aus ihrer Sicht eine neuerliche Wiederholung der Demokratie nichts nütze.

Überhaupt ortete Meinl-Reisinger in der Bevölkerung einen Vertrauensverlust in die Demokratie und den Rechtsstaat, den es nun wiederherzustellen gelte. Dies könne mit einem von den Neos erarbeiteten Demokratieschutzpaket gelingen, warb sie. So brauche es klare Regeln für den Tausch defekter Wahlkarten, die Möglichkeit, bei gravierenden Problemen den Wahltermin verschieben zu können, sowie öffentliche Stimmauszählungen. In einem gab der ÖVP-Mandatar Wolfgang Ulm Meinl-Reisinger Recht: "Was wirklich feststeht, ist, dass es einen Handlungsbedarf gibt bei dieser Gemeindewahlordnung." Dabei bezog er sich besonders auf den Paragrafen 41(3): "Duplikate für abhandengekommene oder unbrauchbar gewordene Wahlkarten dürfen vom Magistrat in keinem Falle ausgefolgt werden. Also, das ist schon ziemlich eindeutig, wenn Sie mich fragen."

Ulms Vorschlag lautete, zumindest die Bestimmung der Nationalratswahlordnung zu übernehmen, dass unbrauchbar gewordene Wahlkarten unter bestimmten Umständen schon ausgetauscht werden dürfen. Überdies befand Ulm, dass es den Wählern zu leicht gemacht werde, an eine Briefwahlkarte zu kommen: "Dass eine Identität lediglich glaubhaft gemacht werden muss, ist definitiv zu wenig."

Auch FPÖ für Reform

Auch die FPÖ forderte eine Reform des Wahlrechts und hat dazu Vorschläge – angefangen von einem zusätzlichen Wahltag bis hin zu Änderungen für Wahlkartenwähler. Eine Wahlkarte soll beispielsweise nur mehr jemand beantragen dürfen, der aufgrund von Ortsabwesenheit am Wahltag nicht in der Lage ist, ein Wahllokal aufzusuchen. Klubobmann Dominik Nepp nutzte die Möglichkeit auch, um harsche Kritik am Agieren der Neos bei der Leopoldstadt-Wahl zu üben. Die Partei würde ein "riesengroßes Tamtam" machen, mehr nicht: "Wenn Sie Hinweise haben, dass das alles nicht rechtmäßig abgelaufen ist, dann sollten sie den Mut haben, den letzten Schritt zu ziehen und die Wahl anzufechten." Überhaupt befand er Meinl-Reisingers Stifte-Mitbringsel für unpassend: Seiner Meinung nach hätten es "Kugelschreiber oder fälschungssichere Stifte" sein müssen, denn damit müssten Wahlkarten und Stimmzettel ausgefüllt werden.

Gemäßigter gaben sich die Regierungsparteien SPÖ und Grüne. Beide verteidigten die Entscheidung, trotz der defekten Wahlkarten den Urnengang im zweiten Bezirk abzuhalten. Dies sei aus zeitlichen Gründen nicht anders möglich gewesen. Die grüne Mandatarin Jennifer Kickert betonte jedoch, dass man sich "mit jeder Wahl, mit jeder neuerlichen Erfahrung, mit jeder aufgetauchten Schwierigkeit" auseinanderzusetzen und eventuell das Verfahren oder die gesetzliche Regelung entsprechend ändern müsse: "In aller Sachlichkeit und Unaufgeregtheit." Sie ortete unter anderem die Notwendigkeit einer Verbesserung in der Handhabung der Briefwahl.

SPÖ-Mandatar Kurt Stürzenbecher sah dies genauso: "Wir müssen schauen, dass wir die Briefwahl wasserdicht machen." Für ihn ist die Briefwahl ein wichtiges Instrument, denn diese habe immerhin dazu geführt, dass zehn Prozent mehr Menschen zur Wahl gingen. Im Rahmen der Sitzung wurden von der Opposition gleich zwölf Anträge eingebracht. Jedoch erlangte kein einziger eine notwendige Mehrheit. (APA, 20.10.2016)