Österreich setzt auch Hercules-Transportflugzeuge des Bundesheeres für Sammel-Abschiebungen ein. Bisher fand ein Flug nach Bulgarien statt.

Foto: APA/Bundesheer/Pusch

Wien – Als im Vorjahr die Balkanroute für Migranten offen war, ließ auch Österreich zehntausende Menschen ein- und durchreisen. Die meisten davon fuhren weiter nach Deutschland, doch manche, in Summe auch mehrere Tausend, stellten hier einen Asylantrag. Monate später werden nun viele gemäß der Dublin-Verordnung nach Kroatien zurückgeführt. In der Flüchtlingshilfe tätige NGOs, wie Asyl in Not, Border Crossing Spielfeld und Shalom Alaikom, protestieren gegen die generalstabsmäßigen Rückführungen.

Denn die Menschen seien damals nicht illegal eingereist, sondern durch Österreichs offene Grenzen quasi eingeladen worden. In Kroatien sei außerdem keine adäquate Versorgung garantiert. Das Hotel Porin in Zagreb beispielsweise, die momentan größte Flüchtlingsunterkunft Kroatiens, sei mit 600 Menschen völlig überbelegt, schilderte am Donnerstag Birgit Roth von Border Crossing Spielfeld. Die NGO-Plattform "für eine menschliche Asylpolitik" ruft zu einer Großdemonstration am 26. November in Wien auf.

Insgesamt wurden heuer bis Ende September aus Österreich 1.630 Menschen entsprechend der Dublin-Verordnung in andere EU-Staaten rückgeschoben. Wie viele davon nach Kroatien gebracht wurden, sei statistisch nicht erfasst, heißt es aus dem Innenministerium. Laut Roth gab es in Kroatien allein bis Juni 1.782 Ankündigungen von Rückführungen aus Österreich.

Frist läuft ab

Grund für die Häufung von Rückschiebungen: Wegen des Fristenlaufs in Dublin-Verfahren naht bei vielen Asylwerbern, die 2015 und 2016 nach Österreich gekommen sind, der letztmögliche Wegbringtermin. Danach wäre Österreich für die Asylverfahren zuständig.

Für massiven Widerstand von Flüchtlingshelfern sorgen derzeit vor allem Dublin-Rückschiebungen von schwerkranken Menschen. Darunter ist etwa ein 18-jähriger Afghane, der wegen eines schweren Nierenschadens mehrmals pro Woche zur Dialyse muss. Der Bursche leide auch an einer massiven Immunschwäche, jeder Schnupfen könne lebensgefährlich sein, schildert eine Unterstützerin. Am Dienstag bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit der Rückschiebung. Das von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützte Argument, wie in allen solchen Fällen: Im Aufnahmeland müsse nur die Möglichkeit einer Behandlung bestehen. Laut Diakonie will das Innenministerium den Fall nun nochmals prüfen.

Epilepsie nach Unfall

Bereits nach Kroatien gebracht wurde hingegen ein syrisches Brüderpaar (18 und 20). Beide hatten seit zehn Monaten bei einer Familie in Eisenstadt gelebt, die sie wie Söhne aufgenommen hatte. Der Ältere, in Syrien einst Extremsportler, war auf der Flucht kurz vor Klingenbach von einem Auto angefahren worden, war im Koma gelegen und leidet an schwerer Epilepsie.

Während NGOs für derlei Fälle künftig die Übernahme des Asylverfahrens durch Österreich urgieren, gehen die Dublin-Reformpläne der EU in die entgegengesetzte Richtung. (Irene Brickner, Michael Simoner, 20.10.2016)