Rezeptfreie oder rezeptpflichtige Pillen: DM will den Markt für Erstere für Drogerien öffnen. Apotheker warnen vor Nebenwirkungen.

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Wien – Mitte November soll es Gewissheit darüber geben, ob in Österreich rezeptfreie Medikamente allein den Apotheken vorbehalten bleiben. Die Drogeriekette DM bemüht sich seit Jahren darum, das Monopol zu kippen, um selbst ins Geschäft mit Aspirin und Co einzusteigen. DM reichte dazu heuer einen Individualantrag beim Verfassungsgerichtshof ein und rechnet mit einer Entscheidung in wenigen Wochen.

Fest steht bereits jetzt: DM wird nicht klein beigeben. Auch wenn das Unternehmen mit seinem Ansinnen nun abblitzt oder sich der Gerichtshof für nicht zuständig erklärt, will Martin Engelmann weiter für die Liberalisierung kämpfen. Er erwarte kein Nein, sagt der Chef von DM Österreich. Gelinge es jedoch nicht auf diesem Wege, den Markt für rezeptfreie Arzneien für Drogerien zu öffnen, dann werde er andere beschreiten. "Wir geben nicht auf."

"Land der Unseligen"

Rückendeckung verspricht sich Engelmann durch das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Dieses bringt die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente zu Fall. Die gesetzliche Preisbindung benachteiligt nach Ansicht der EU-Richter Versandapotheken im EU-Ausland und beschränkt folglich den freien Warenverkehr. Ungleiche Behandlung macht DM auch in Österreich aus. Noch mehr, seit Apotheken pharmazeutische Produkte seit dem Sommer 2015 legal online verkaufen dürfen. "Auf Österreich rollt eine Wettbewerbswelle zu." Das Land drohe zu einer Insel der Unseligen zu werden.

Das Monopol auf rezeptfreie Arzneien hierzulande sei in Europa in dieser Form einzigartig und sicher nicht zeitgemäß, sagt Engelmann. Für mündige Konsumenten sei nicht nachvollziehbar, warum sie diese nur in den Apotheken kaufen dürften. Gibt der Verfassungsgerichtshof grünes Licht, sieht Engelmann den Gesetzgeber am Zug. DM werde sofort die Zusammenarbeit mit Industrie und Großhandel suchen. In die Regale kommen könnten die Medikamente im besten Fall Ende 2017.

Für flatternde Nerven dürfte die anstehende Entscheidung auch in der Apothekerkammer sorgen. Diese warnt nämlich vehement vor einer Freigabe des Verkaufs rezeptfreier Arzneien: Die Liberalisierung verzerre den Wettbewerb, stelle eine Gefahr für Gesundheit und Versorgungssicherheit dar.

Rekord an Investitionen

Mit DM kündigt sich ein mächtiger Rivale an. Der Konzern besetzt in Österreich vor Müller und Bipa 45 Prozent des Drogeriefachhandels und gewinnt stetig neuen Boden. Im kürzlich abgelaufenen Geschäftsjahr 2015/16 stieg der Umsatz um sechs Prozent auf 852 Millionen Euro. In 390 Filialen sind fast 6600 Mitarbeiter beschäftigt. Im laufenden Geschäftsjahr will DM 41 Millionen Euro in Österreich investieren. 37 Millionen davon fließen in die Modernisierung des Standortnetzes. Es ist die höchste Investition in der Geschichte des Unternehmens.

Angesprochen auf die laufende Gehaltsrunde im Handel, sieht Engelmann in der Branche in Summe durchaus Nachholbedarf, was die Einkommen der Beschäftigten betrifft. Wobei DM selbst attraktive Gehälter zahle, wie er betont.

Generell müsse den Sozialpartnern aber bewusst sein, dass sich höhere Löhne früher oder später auch in den Produktpreisen abbildeten. Andernfalls sei der Einzelhandel gezwungen, zu rationalisieren. Bezüglich der Ergebnisse der Kollektivvertragsverhandlungen gibt sich DM gelassen: Diese gelten schließlich für alle Marktteilnehmer.

Der von Götz Werner gegründete Konzern expandierte vor 40 Jahren von Deutschland nach Österreich. Das Jubiläum wird in einer für den Einzelhandel eher unüblichen Weise begangen: Statt sich mit Rabatten für Kunden zu feiern, die zumeist von Lieferanten finanziert werden, fördert DM 40 soziale, ökologische und kulturelle Projekte mit Lokalkolorit. (vk, 21.10.2016)