Die auf 1531 datierte "Venus" aus der Sammlung des Fürsten Liechtenstein ähnelt unzweifelhaften Cranach-Werken – charakteristisch für Cranach oder doch das Puzzle eines gewieften Fälschers?

Foto: Liechtenstein – The Princely Collections, Vaduz-Vienna

...der Kopf einer Grazie ("Drei Grazien", Louvre, Paris)

Foto: CranachNet

...der Körper einer Eva ("Adam und Eva", Uffizien, Florenz)

Foto: CranachNet

...oder die Hand einer "Justitia" (Privatsammlung)

Foto: CranachNet

Es gibt solche und solche Tage im Leben, auch für Johann Kräftner. Noch Mittwochabend war fraglich, ob der Direktor der Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein anderntags von London nach Paris reisen kann. Nicht auszudenken, wenn der Stromausfall im Eurotunnel nicht zeitgerecht behoben wäre und die Teilnahme an einem wichtigen Gerichtstermin verhindert hätte.

Im März hatten französische Behörden ein Gemälde von Lucas Cranach aus dem Besitz des Fürsten bei einer Ausstellung in Aix-en-Provence beschlagnahmt, da aufgrund einer anonymen Anzeige Zweifel an der Echtheit bestanden. Dass ein Gutachten des international anerkannten Cranach-Experten Dieter Koepplin (Basel), dem namhafte Kollegen beipflichteten, die Cranach-Autorenschaft 2013 bestätigt hatte, war für die zuständige Staatsanwältin unerheblich.

Sie ordnete neue Expertisen an. Und seither sitzt die auf Eichenholz gemalte Venus im Louvre fest, als Beweismittel in einem Verfahren, bei dem nach außen hin nur zum Teil nachvollziehbar ist, worum es geht. Um die Entlarvung von Fälschungen, die unerkannt den Kunstmarkt infiltrierten, oder um Werke, die über Expertisen eine wirtschaftliche Aufwertung erhielten. Im Zentrum der Causa steht ein gewisser Giulano Ruffini. Ein Playboy-Typ, der in der Kunstszene als Randfigur durchaus bekannt ist. Ein Sammler, der schon mal den Kunsthändler spielte – oder umgekehrt.

Über die Jahre verkaufte er immer wieder Gemälde. 18 sind den Ermittlern derzeit bekannt, darunter Arbeiten von Cranach, Frans Hals, Diego Velázquez, El Greco und der Familie Brueghel. Die Gemeinsamkeit aller: Bis sie auf den Markt kamen, waren sie der Fachwelt nicht bekannt. Ausgestattet mit Gutachten der für den jeweiligen Künstler anerkannten Experten oder Museumskuratoren, wurden sie dann gewinnbringend verkauft, mal für 100.000 Euro, dann wieder für zehn Millionen Dollar.

Ruffini profitierte davon nur bedingt, denn er verkaufte an Zwischenhändler, die sich teilweise ein goldenes Näschen verdienten. Etwa auch bei der Venus: Er bekam 510.000 Euro von einem Händler, der sie für 3,2 Millionen Euro an Konrad Bernheimer verkaufte, damals Inhaber der Kunsthandlung Colnaghi (London). Von dort gelangte das Bild für sieben Millionen Euro in die Sammlung des Fürsten.

Erste Fälschung entlarvt

Einer im französischen Gesetz verankerten Regelung gemäß steht dem Erstverkäufer ein Anteil jenes Gewinns zu, der bei anschließenden Verkäufen erzielt wird. Seit 2014 versucht Ruffini diese Forderungen bei Gericht zu erstreiten. Im Zuge dessen erklärte er, die Venus ursprünglich als Werk eines anonymen Künstlers verkauft zu haben, aber nicht als Cranach. Die französischen Behörden witterten eine Fälschung, womöglich einen systematischen Betrug von größerem Ausmaß.

Im Falle eines Porträtgemäldes von Frans Hals, das Ruffini 2008 verkaufte, dürften sie recht behalten haben. Noch 2008 war es von Experten des Louvre als Entdeckung gefeiert und als "trésor national" eingestuft worden. Über eine Londoner Galerie und einen von Sotheby's vermittelten Private Sale, landete das Bild 2011 für zehn Millionen Dollar in einer Privatsammlung. Naturwissenschaftliche Analysen schlossen jetzt eine Entstehung im 17. Jahrhundert aus. Konkret seien sowohl in der Grundierung als auch in Farbpigmenten synthetische Stoffe nachweisbar.

Mehr ist nicht in Erfahrung zu bringen, denn die Laborberichte sind unter Verschluss. Aufgrund des laufenden Verfahrens, wie Sotheby's auf Anfrage erklärt. Ein Argument, das Recherchen in dieser Causa begleitet. Etwa auch, wenn es um eine für das Cranach-Bild von Christie's beauftragte Pigmentanalyse geht, die 2012 die Ablehnung einer Versteigerung zur Folge hatte.

Für Johann Kräftner, den Chefeinkäufer des Fürsten, fällt dieser Bericht nicht ins Gewicht. Michael Hofbauer wiederum braucht ihn nicht. Er forscht seit 16 Jahren zu Cranach und verwaltet ein digitales Werkverzeichnis. Die Beschäftigung mit Kopien und Fälschungen ist ein Nebeneffekt dieser Tätigkeit. Im Falle der Liechtenstein'schen Venus war er von Anbeginn überzeugt, dass es sich um eine Fälschung handle.

Denn die feinen Risse in der Farbschicht hätten "keinen Bezug zur Holztafel", und dieses an der Oberfläche erkennbare Krakelee müsse künstlich entstanden sein, "durch Brechen oder Backen", erklärt er. Dazu kämen Partien, die teilweise überdeutlich mit anderen Cranachs verwandt seien. Ganz so, als ob der "Künstler" ein Puzzle geschaffen hätte (siehe Fotos).

Für die Ermittler war seine Meinung nicht von Belang. Beauftragt wurden andere Gutachter, etwa auch eine Grafologin: "Absurd", sagt Kräftner, "peinlich", meint Hofbauer. Denn bei Cranach geht es nicht um eine Signatur in Form eines Schriftzuges, sondern um ein Signum, das eine geflügelte Schlange zeigt. Aufgemalt wurde sie von vielen, von Cranach, seinen Söhnen und Mitarbeitern der Werkstatt.

KHM: Kein Cranach-Werk

Ein Gutachten lieferte auch Guido Messling, Kurator für Deutsche Malerei am Kunsthistorischen Museum (Wien). Dem Vernehmen nach schließt er über eine Stilanalyse eine Autorenschaft Cranachs aus. Des laufenden Verfahrens wegen könne er dazu nichts sagen, lässt er den STANDARD via Mail wissen.

Am Donnerstag bekamen das Fürstenhaus und sein Chefkurator in Paris erstmals die Möglichkeit, zu den neuen Erkenntnissen Stellung zu nehmen. "Wir konnten Punkt für Punkt widerlegen", betont Kräftner, der von der Echtheit des Bildes überzeugt ist. Der relevante Cranach-Experte Dieter Koepplin hat jedoch zwischenzeitlich seine Meinung geändert. Noch 2013 hatte er aufgrund der Qualität des Bildes sogar eine "Kopie, Imitation oder dergleichen" ausgeschlossen. Jetzt sagt er, die Venus sei eine Fälschung, wie er auf Anfrage bestätigt. Warum, will er nicht erläutern. Das sei ja bloß seine Meinung. Dass Gutachter juristisch haftbar sind, sei erwähnt.

Kräftner bleibt entspannt, "wir verlassen uns darauf, was wir sehen", ob der Künstler nun Cranach oder anders heiße, sei egal. "Es war ein guter Tag", sagt er und freut sich über einen Neuzugang. Ein Familienbildnis von Johann Martin Schmidt, das er nachmittags für 478.800 Euro bei "im Kinsky" ersteigerte. Ein Trostpflaster angesichts einer Causa, die noch Jahre dauern könnte. (Olga Kronsteiner, 23.10.2016)