Vor wenigen Monaten noch kriegsbereit, jetzt plötzlich dicke Freude: China und die Philippinen.

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Fast vier Jahre brauchte der Internationale Schiedsgerichtshof in Den Haag, um die Klage der Philippinen gegen Chinas pauschale Besitzansprüche auf das Südchinesische Meer zu entscheiden. Vergangenen Juli gewann Manila – zum Zorn Pekings – in allen Streitpunkten. Darunter auch, dass die Volksrepublik das Territorium der 130 Seemeilen (240 Kilometer) von der philippinischen Küste entfernten Scarborough-Riffe nicht besetzen darf. Seit 2012 blockiert und verwehrt Chinas Marine philippinischen Fischern den Zugang zu ihren traditionellen Fanggründen. Das wurde zum Anlass für Manilas Klage.

Nur einen Tag brauchte der antiamerikanisch eingestellte, neue Präsident Rodrigro Dutarte, um die Bedeutung des Gerichtsentscheids für Manila zu entwerten. Der 71-Jährige, der sein Land eng an die von ihm bewunderte Wirtschaftssupermacht China anbinden will, marginalisierte den Schiedsspruch zum Auftakt seines Staatsbesuch in Peking zum "Stück Papier". Der Streit um das Südchinesische Meer gehöre bei seinen Gesprächen mit Chinas Führung auf den "Rücksitz".

"Jahrhundertealte Freundschaft"

Duterte hielt Wort. Im chinesisch-philippinischen Kommuniqué zur Wiederherstellung einer "jahrhundertealten Freundschaft", das Freitagnachmittag zum Abschluss des viertägigen Duterte-Besuchs erschien, fehlt jeder Hinweis auf Den Haag. Drei der 47 Punkte befassen sich mit dem Südchinesischen Meer. Beide Seiten wollen den im Juli noch gefährlich eskalierenden Streit nun über "freundliche Konsultationen und Verhandlungen bilateral beilegen – ohne Drohungen und ohne Gewaltanwendung".

Manila akzeptiert, den Schiedsspruch nicht zu thematisieren. Das bedeute aber nicht, dass es sich davon distanziert, sagte ein informierter philippinischer Beobachter zum STANDARD. Xi und Duterte hätten "in kleinem Kreis länger als geplant auch darüber geredet. Sie stimmten überein, in dieser Frage nicht übereinzustimmen."

Ab in die Schublade

Das Problem auszuklammern, das ist für Peking schon der halbe Sieg. Die Philippinen werden ihren Territorialstreit mit China nicht weiter internationalisieren. Der Schiedsspruch verschwindet vorerst in der Schublade. Dafür unterstützt China die Präsidentschaft der Philippinen beim nächsten Asean-Gipfel 2017. Es kann darauf vertrauen, dass vonseiten der Asean-Staaten unter der Regie Manilas keine gemeinsame Kritik an seiner Politik im Südchinesischen Meer geübt wird.

Philippinens Verbündete USA und Japan, das Duterte kommende Woche besucht, sind über die neue Entwicklung hoch besorgt. Nur drei Monate nach Manilas Sieg in Den Haag hat sich China rechtlich verlorenes Terrain für seinen unveränderten Anspruch auf das Südchinesische Meer zurückerobert. Chinas "Global Times" titelte am Freitag ihren Leitartikel mit "Außenstehende: Mischt Euch nach der erneuten chinesisch-philippinischen Umarmung nicht mehr im Südchinesischen Meer ein!"

Milliardengeschäfte

Duterte unterzeichnete mit Xi 13 Wirtschafts-, Infrastrukturprojekte und Softloans, die der philippinische Handelsminister auf einen Wert von 13,5 Milliarden US-Dollar bezifferte. Darunter fallen auch Millionenkredite für Rehabilitationsprogramme zur Unterstützung der Anti-Drogen-Kampagne von Duterte.

Drei Punkte des Kommuniqués versprechen grenzüberschreitende Zusammenarbeit, technische Kooperation und Ausbildung im Kampf gegen Drogen. Noch ein Geschenk: Peking eröffnet ein Generalkonsulat in Davao, der Stadt, wo Duterte einst Bürgermeister war.

Nach der Unterzeichnungszeremonie rief Duterte impulsiv aus: "Amerika hat mich verloren." Er habe sich mit China verbunden. "Vielleicht gehe ich auch nach Russland und sage es (Wladimir) Putin. Jetzt stehen wir zu dritt da gegen die Welt, China, Philippinen und Russland." Trotz Applaus' im Saal und obwohl philippinische Unternehmer die emotionalen Ausbrüche Dutertes kennen, fühlten sich viele negativ überrascht, sagten Teilnehmer. (Johnny Erling, 21.10.2016)