Pretoria – Die internationale Strafverfolgung mutmaßlicher Kriegsverbrecher könnte bald schwieriger werden: Südafrikas Regierung hat am Freitag offiziell angekündigt, sich aus dem Internationalen Strafgerichtshof (ICC) zurückziehen zu wollen. Ein entsprechendes Schreiben war nach Angaben des Internet-Magazins Daily Maverick schon am Mittwochabend bei den Vereinten Nationen in New York eingelangt.

Justizminister Michael Masutha bestätigte am Freitag den Beginn des Rückzugsprozesses, der ein Jahr dauern soll. Die Verpflichtungen, die das Land mit der ICC-Mitgliedschaft eingehe, seien nicht mit den Bemühungen Südafrikas für Frieden in Afrika vereinbar, sagte er.

Vor allem strich er die Probleme hervor, die die Forderung des ICC nach Auslieferung des sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir bei einem Gipfel der Afrikanischen Union (AU) im Vorjahr verursacht hatte: Die südafrikanische Regierung hatte sich damals geweigert, Bashir festzunehmen, obwohl ein Gericht genau dies verlangt hatte. Ein Verfahren, das südafrikanische NGOs deshalb gegen die Regierung angestrengt haben, läuft derzeit noch. Präsident Bashir wird wegen Kriegsverbrechen während des Bürgerkriegs in der Provinz Darfur gesucht, dem mehr als 300.000 Menschen zum Opfer gefallen sind.

Obwohl 34 der 54 afrikanischen Staaten Mitglied des 2002 geschaffenen ICC sind, ist der Gerichtshof auf dem Kontinent häufig in der Kritik: Bis Anfang 2016 sind ausschließlich Fälle in Afrika über das Stadium von Vorermittlungen hinausgegangen. Seither laufende Ermittlungen zum Georgien-Krieg von 2008 haben bis dato zu keiner Anklage geführt. Dem Gericht wird daher neokolonialistisches Gehabe vorgeworfen. Immerhin haben sich weder die USA noch Russland noch China bisher dem ICC angeschlossen.

Weitere Rückzugsdrohungen

Neben den Ermittlungen gegen Bashir haben vor allem jene gegen Kenias Präsident Uhuru Kenyatta und seinen Vize William Ruto zum schlechten Image des Gerichts in Afrika beigetragen. Ihnen wurde vorgeworfen, zu blutigen Unruhen nach der Wahl von 2007 beigetragen zu haben. Beide Fälle wurden mittlerweile eingestellt.

Ein Rückzug Kenias aus dem ICC, über den zuvor das kenianische Parlament beraten hat, ruht seither. Hingegen hat erst vor einer Woche Burundi seinen Rückzug beschlossen. Präsident Pierre Nkurunziza befürchtet, wegen der Gewalt nach den Wahlen im Vorjahr ebenfalls angeklagt zu werden.

Befürchtet wird, dass der Rückzug Pretorias Vorbildwirkung für afrikanische Staaten haben könnte. Allerdings ist der Schritt noch nicht fix: NGOs haben bereits nationale Gerichte angerufen. Diese müssen nun entscheiden, ob nicht auch das Parlament dem Abschied vom ICC zustimmen muss. (mesc/21.10.2016)