Doris Uhlich (hier im Bild) untersucht gemeinsam mit Michael Turinsky in "Ravemachine" den Kult um das Ekstatische im Entertainment-Business.


Foto: Peter Empl

Wien – Michael Turinsky entwickelt sich gerade zu einer Art Heldenfigur der Wiener Tanzszene. Nicht wegen seiner Körperbehinderung. Sondern weil er mit Können, Witz und Klugheit versucht, noch einmal eine enge Hüpfdohlenideologie zu widerlegen, die hinter der ganzen Vielfalt des Gegenwartstanzes immer noch vor sich hin giftet.

Diesmal hat er's zusammen mit Doris Uhlich getan, die ihn zu dem Duett Ravemachine eingeladen hat. Zu sehen ist dessen Uraufführung noch im Wuk als "All over"-Remix im Rahmen einer Clubnacht am Samstag und noch einmal im Brut-Theater am Montag.

Mit Turinsky und Uhlich tun sich zwei ausgesprochen charismatische Figuren zusammen. Er tritt zu Beginn in einem Rollstuhl auf, sie stellt sich hinter ein DJ-Pult. In der anfänglichen Stille fährt er pathetisch ein paar Schleifen, sie lässt langsam Sound kommen. Hinten am Rollstuhl ist eine Nebelmaschine montiert, die armselige Theaterrauchfähnchen in das anschwellende Boxengetöne – man kann's nicht anders sagen – furzt. Die entwaffnende Souveränität dieser Spöttelei gegenüber dem notorischen Einsatz von Trockeneisdünsten auf allen möglichen Tanz- und sonstigen Bühnen lockert das Publikum auf.

Ihre eigene Ravemaschine hat Doris Uhlich als "Rütteltisch" schon vor zwei Jahren in ihrem Solo Universal Dancer vorgestellt. Jetzt, im Stück Ravemachine, behauptet sie, ein Rollstuhl wäre eigentlich ebenfalls eine Ravemaschine. Aber ist er nicht eher eine Körpererweiterung, die einen Mangel ausgleichen soll, als eine, die den virtuosen Körper zusätzlich aufpeppt? Außer, wenn sich jetzt die Choreografin und Tänzerin selbst in den Rollstuhl schnallt und mit ekstatischem Gestus über die Bühne fährt.

Mit dieser Szene macht sie anrührend sichtbar, wie kapriziös der Kult um das Ekstatische im Entertainment-Business geworden ist. Sobald Uhlich dann beim Ekstasieren das gute alte Headbanging zelebriert, tut sie das, nicht ohne zuvor rapunzelhaft ihr Haar herunterzulassen. So fetzt es besser. Ein Jammer, dass Michael Turinsky bei dieser spaßigen Persiflage nicht mitmacht, denn im Kontrast zu seiner Partnerin trägt er stolz Glatze.

Gepimpte Psychoprothesen

Das Duett Ravemachine bleibt durchgehend mehrdeutig zwischen Affirmation und Subversion gegenüber dem Geschäft mit spekulativer Ekstasis, aufpimpenden Psychoprothesen und lukrativem Stimmungs-Enhancement. Vielleicht will Doris Uhlich auch gar nicht wirklich kritisch sein, und es passiert ihr in einigen Passagen einfach. Visuell dominieren in Ravemachine die Töne Weiß, Grau und Schwarz. Aus dieser Coolness stechen nur Uhlichs tolle rosa Plateaustiefel und leuchtend orange Handschuhe hervor, die Turinsky trägt, wenn er Teile eines Rollstuhls durch die Gegend schmeißt.

Das Werfen des Hilfsmittels zeigt Turinskys Willen, sich von der Behinderung zu emanzipieren. Und mehr noch. Dieser Tänzer zerreißt das Bild vom Körper, der traurig an den Rollstuhl "gefesselt" ist.

Michael Turinsky steht und tanzt auf eigenen Beinen, mit und ohne äußere Stützen. Wie konsequent er das tut und um wie viel überzeugender bei so ziemlich jedem seiner Auftritte, das ist wirklich beeindruckend. (Helmut Ploebst, 21.10.2016)