London – Britische Banken bereiten sich angesichts des Brexits auf einen zügigen Wegzug aus Großbritannien vor. "Viele kleinere Banken wollen mit der Verlagerung von Geschäften noch vor Weihnachten beginnen", schrieb der Chef des Lobbyverbandes BBA, Anthony Browne, am Wochenende in der Zeitung "Observer".

"Größere Banken werden voraussichtlich im ersten Quartal des nächsten Jahres damit beginnen". Hintergrund sei die Unsicherheit über die EU-Austrittsverhandlungen.

Die britische Bevölkerung hatte sich im Juni mit knapper Mehrheit für einen Austritt aus der EU ausgesprochen. Die britischen Banken, Versicherer und Hedgefonds befürchten, dass sie nach einem Brexit die Erlaubnis verlieren, ihre Dienste in der gesamten Union anbieten zu dürfen. Für Großbritannien steht viel auf dem Spiel: Zahlreiche der weltgrößten Banken haben ihre Europa-Zentralen auf der Insel. Die Finanzbranche beschäftigt mehr als zwei Millionen Menschen und trägt rund zwölf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei.

Debatte laufe in die falsche Richtung

Die öffentliche und politische Debatte laufe in die falsche Richtung, schrieb Browne. Einige hochrangige Brexit-Befürworter seien der Auffassung, dass die Finanzbranche auf den sogenannten EU-Pass (Passporting) verzichten könnte. Das sei ein Irrglaube. Im Rahmen der sogenannten Gleichwertigkeitsbestimmungen könnte die EU Großbritannien bescheinigen, dass die britischen Vorgaben den EU-Vorgaben gleichwertig sind. Doch im Gegensatz zum "EU-Pass" gelte diese Genehmigung nur für bestimmte Dienstleistungen, könne fast ohne Vorwarnung zurückgezogen werden und würde Großbritannien voraussichtlich zwingen, Regeln anzuerkennen, auf die das Land keinen Einfluss hat, warnte Browne.

Die Institute könnten nicht bis zur letzten Minute warnte, schrieb der Chef der British Bankers' Association (BBA). Die meisten internationalen Banken hätten bereits Arbeitsgruppen eingesetzt, die prüfen welche Geschäfte verlagert werden müssen und bis wann dies geschehen muss.

Premierministerin Theresa May will bis Ende März den Austritt der Briten aus der EU beantragen. Ob das Land weiter Zugang zum europäischen Binnenmarkt mit seinem zollfreien Warenverkehr bekommen wird, muss in den anschließenden Verhandlungen geklärt werden.

Deuscher Top-Ökonom warnt vor hartem Brexit

Auch der Chef des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest, hat vor einem harten EU-Austritt Großbritanniens (Brexit) gewarnt und für ein Übergangsszenario geworben. "Ich hoffe, dass alle Seiten zur Vernunft kommen und es zu keinem harten Brexit kommt", sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Der Top-Ökonom warb für eine Übergangsphase nach dem offiziellen EU-Austritt von möglicherweise bis zu zehn Jahren, damit Großbritannien nicht plötzlich aus dem europäischen Binnenmarkt austrete und Zeit bestehe für neue Abkommen. Für die Zeit danach könnten die langfristigen Beziehungen der Briten mit der EU geklärt werden: "Das wäre der eleganteste und wohl einzig mögliche Weg."

Damit stellt sich der ifo-Präsident gegen die bisherigen Linie von EU-Politikern, wonach Großbritannien nur Zugang zum Binnenmarkt behalten solle, wenn das Land Freizügigkeit von EU-Bürgern akzeptiere. (APA, red, 23.10.2016)