Andy Murray macht Werbung für Wien und natürlich auch für sich selbst.

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Wien – Andy Murray hat sich Sonntagfrüh um 37 Minuten verspätet. Was völlig wurscht war und folgenlos geblieben ist. Wien, konkret der Veranstalter der Erste Bank Open, fühlt sich gebauchpinselt, dass er dem Tennisturnier zusätzliche Größe verleiht. Die Murrays sind zu zehnt da, sie wurden auf sieben Hotelzimmer (Suiten) aufgeteilt – Ehefrau, Tochter, Schwiegermutter, Mutter, Bruder Jamie (starker Doppelspieler), Trainer Jamie Delgado, Physiotherapeut, Masseur, er selbst. Sein Manager von der Agentur 77 heißt übrigens auch Murray, allerdings Josh, es besteht kein verwandtschaftliches Verhältnis.

Turnierdirektor Herwig Straka kümmert sich um den Tross, die Gesamtkosten belaufen sich auf geschätzte 800.000 Euro, der 29-jährige Murray ist teuer, Qualität hat zumindest im Tennis ihren Preis. Der Schotte ist laut Straka umgänglich, es ging um Details, so mussten aus der Minibar die alkoholischen Getränke entfernt werden, damit die acht Monate alte Sophia erstens auf keine blöden Ideen kommt und zweitens Platz für ihren Brei ist.

Murray saß nach einer einstündigen Trainingseinheit in den Katakomben der Wiener Stadthalle, im Anschluss wurde er in die Innenstadt chauffiert, um sich vor dem Stephansdom fotografieren zu lassen. Der Dom soll angeblich darauf bestanden haben.

Es passt einfach

Murray lobte die "schöne Stadt", die "nette Halle". Das würde er natürlich selbst in Hannover sagen, aber dort gibt es kein relevantes Turnier. Murray ist aktuell in Hochform, hat heuer schon sechs Titel gewonnen, Wimbledon und Olympia in Rio inklusive. Zuletzt schlug er in Peking und Schanghai auf und zu, in diesen zehn Partien hat er keinen Satz verloren, die Bilanz lautet 20:0. Er sei motiviert, lebe in der Gegenwart, versuche Tag für Tag, Spiel für Spiel "das Beste zu geben. Es geht darum, sich kurfristige Ziele zu setzen. Ich bin konstant, mir tut nichts weh, es macht Freude, auf dem Platz zu stehen. Ich würde Tennis total vermissen."

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Weltranglistenzweite noch in diesem Jahr Novak Djokovic vom Thron stürzt. Ein Sieg in Wien wäre ein weiterer Schritt zum großen Ziel. Djokovic hatte zuletzt mentale Probleme, der Serbe sagte, er mache sich zu viel Druck. Murray versteht das. "Er hat so viel erreicht, er wird das Problem lösen." Rafael Nadal hat die Saison beendet, Roger Federer ist seit Monaten verletzt, von der großen Vier ist momentan nur Murray auffällig, eine Bank. "Das Tennis braucht uns alle Vier."

Bei ihm ist 2012 der Knoten geplatzt, in Wimbledon wurde er Olympiasieger, ein paar Wochen später gewann er dann sein erstes Grand-Slam-Turnier, die US Open. 2013 und heuer war er in Wimbledon Erster. "Im Nachhinein war der öffentliche Druck gut für mich." Dominic Thiem, der am Dienstag gegen Gerald Melzer beginnt, nennt er einen "sehr netten, gut erzogen Kerl. Großartige Schläge, auf allen Belägen stark." Möglicherweise sei der Niederösterreicher nun etwas geschlaucht. "Er wird daraus lernen, sein Programm etwas reduzieren."

Andy Murray hält bei 41 Titeln und 52 Millionen Dollar Preisgeld. In Wien siegte er bereits 2014. Murray hat Sonntagfrüh 15 Minuten lang gesprochen. Am Mittwoch trifft er pünktlich in der ersten Runde auf den Slowaken Martin Klizan. Das wird ein bisserl länger dauern, ein Satzverlust ist aber eher auszuschließen. (Christian Hackl, 23.10.2016)