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"Vielen Dank, Stop Ceta, Widerstand", haben Gegner des EU-Kanada-Pakts auf ein Plakat vor dem wallonischen Parlament vergangene Woche geschrieben. Meldungen vom vorläufigen Scheitern waren verfrüht.

Foto: Reuters/Marchante

Brüssel/Wien – Totgesagte leben in der EU doch länger: Das könnte sich beim Freihandels- und Investitionsabkommen von EU und Kanada (Ceta) so wie bei vielen umstrittenen EU-Verträgen am Ende erneut als richtig erweisen.

Freitagnachmittag war der Pakt nach Ende des EU-Gipfels in Brüssel von vielen für gescheitert erklärt worden, nachdem die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland die Verhandlungen mit der wallonischen Regionalregierung in Belgien für erfolglos beendet erklärt und ihre Abreise ankündigt hatte. Der sozialistische Premier der Wallonie, Paul Magnette, hatte sich zuvor quergelegt.

Überraschende Wende

Dann kam die überraschende Wende. Spitzen von Europas Sozialdemokraten nahmen sich der Sache an. Zunächst bat der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Freeland, in Brüssel zu bleiben. Sein Parteifreund Martin Schulz lud sie und Magnette zu Gesprächen am Samstag ins Europaparlament.

Ergebnis: Der wallonische Premier kündigte an, dass seine Region Ceta gar nie verhindern, sondern nur über "Verbesserungen" nachverhandeln wollte. "Die Verhandlungen mit Kanada sind abgeschlossen", verkündete Schulz, es gebe nur noch "innereuropäische Unterschiede" zu klären. Konkret hieß das, dass die Wallonen – so wie Deutschland und Österreich – rechtsverbindliche Erklärungen zum Ceta-Vertrag bekommen würden, die die Umwelt- und Sozialgesetzgebung ebenso garantieren wie eine Klärung aller heiklen Punkte zu Schiedsgerichten im Zuge des nationalen Ratifizierungsverfahrens ab 2017.

EU-Hilfe für die Wallonie

Die EU-Kommission ist zudem bereit, in der strukturschwachen Wallonie Förderungen zu leisten. Erst im September hatten in Charleroi 2000 Beschäftigte von Caterpillar ihren Job verloren. Auch die Rinderzüchter sollen geschützt werden. Die Kommission setzte Magnette eine Frist zur Entscheidung bis Montagabend.

Nur dann könnte Kanadas Premier Justin Trudeau rechtzeitig nach Europa fliegen, um beim EU-Kanada-Gipfel Donnerstag Ceta feierlich zu unterschreiben. Magnette ließ allerdings ausrichten, die wallonische Regierung verbitte sich ein "Ultimatum". Ratspräsident Donald Tusk will den Gipfel absagen, wenn das wallonische Parlament Montag nicht tagt.

Mangelnde Handlungsfähigkeit

Das Gezeter um Ceta hat in den Augen von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl die mangelnde Handlungsfähigkeit Europas deutlich gemacht. Er verlangt nun, dass aus der "Blamage" Konsequenzen gezogen werden, an deren Ende Vereinigte Staaten von Europa stehen. Konkret sollten die Mitgliedsstaaten, die im EU-Rat die wichtigen Entscheidungen fällen, nur noch in einer "Zweiten Kammer" der Union über Politikbereiche abstimmen.

Die EU-Kommission soll deutlich gestärkt und – "wie in jedem normalen Staat" – zu einer europäischen Regierung aufgewertet werden. Diese würde vom Europaparlament als "Erster Kammer" gewählt, erläutert Leitl dem STANDARD. Dieses Modell würde die gerade im Wettbewerb mit anderen Kontinenten essenzielle Entscheidungsfähigkeit der Union wiederherstellen, glaubt Leitl. Derzeit würden wichtige Beschlüsse von den uneinigen Mitgliedsstaaten blockiert, so der Kammerchef. (Thomas Mayer, Andreas Schnauder, 23.10.2016)