Wien – Im Idealfall beschreibt ein gut komponiertes Konzertprogramm ein Crescendo der Intensität bis hin zum letzten Werk, und insofern war jenes des ORF RSO Wien unter der Leitung von James Feddeck am Freitagabend im Konzerthaus vielleicht ungewöhnlich, in jedem Fall aber packend zusammengestellt.

Nach Schönbergs erschreckend nichtssagendem tonalem Opus 43b, Thema und Variationen (1944), bot John Adams' Doctor Atomic Symphony mit ihrer filmmusikalischen Wirkungskraft und Ausdrucksfreude schon ein Mehr an akustischem Divertissement. 2007 als Substrat seiner Oper Doctor Atomic entstanden, die sich mit dem Physiker J. Robert Oppenheimer und der Entwicklung der Atombombe beschäftigt, unterhielt das knapp halbstündige Werk mit Klangsinnlichkeiten en gros. James Feddeck, ein ehemaliger Welser-Möst-Assistent in Cleveland, schien das Werk im kleinen Finger zu haben und leitete das RSO Wien mit Präzision und Dynamik.

Zum Wunder an Differenziertheit und Souveränität wurde dann Elisabeth Leonskajas Deutung von Brahms zweitem Klavierkonzert. Die weise Grande Dame des Klaviers, in deren Gesichtszügen stets ein leiser Schmerz eingeschrieben scheint, rührte mit feinfühlig dosierten Mischverhältnissen von Zärtlichkeit, Verspieltheit, Noblesse, ernsthaftem Pathos und Schüben rabiaten Furors, mit denen sie das riesenhafte Werk spielerisch interpretierte. Begeisterung für die Künstlerin. (end, 23.10.2016)