Proteste gegen Orbán bei der Gedenkfeier für den Aufstand von 1956.

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Budapest – Proteste gegen den rechtskonservativen Regierungschef Viktor Orbán haben am Sonntag die Gedenkfeierlichkeiten zum 60. Jahrestag des Beginns des Volksaufstands von 1956 in Ungarn begleitet. Regierung und Opposition begingen den Jahrestag getrennt, beide beanspruchten das Erbe der Revolution vor 60 Jahren gegen das stalinistische System für sich.

Am 23. Oktober 1956 hatte in Ungarn eine Demonstration den Volksaufstand gegen das kommunistische Regime eingeleitet. Die Revolution wurde am 4. November später von sowjetischen Truppen blutig niedergeschlagen. Anführer und Sympathisanten des Aufstands wurden daraufhin hingerichtet, eingekerkert und verloren ihre Arbeit. 180.000 bis 200.000 Menschen flohen nach Österreich.

Attacke auf EU

Orbán nutzte seine Rede für eine neuerliche Attacke auf die Politik der Europäischen Union. In seiner Rede bei dem offiziellen Festakt vor dem Parlament in Budapest bezeichnete er den 23. Oktober als "Tag des Stolzes". "Wir Ungarn haben das Talent zur Freiheit, wir wussten immer, was wir mit ihr anfangen", so der Regierungschef. Die einfache Frage laute: "Entscheiden wir über unser Leben oder jemand anderes?" Für die heutige Zeit bedeute dies, dass die freiheitsliebenden Völker die Europäische Union vor der "Versowjetisierung" schützen müssten. Die Ungarn wollten eine europäische Nation bleiben und keine Nationalität in Europa, so Orbán. "Als die Erben von 1956 können wir nicht akzeptieren, dass Europa jene Wurzeln durchschneidet, die uns halfen, die kommunistische Unterdrückung zu überleben."

Die Rede des umstrittenen Regierungschefs auf dem Kossuth-Platz wurde immer wieder von Pfiffen von Anhängern der Opposition gestört. Zu der Gedenkfeier versammelten sich mehrere Tausend Orbán-Anhänger. An der Gedenkfeier nahm auch der polnische Präsident Andrzej Duda teil, der in seiner Rede den Mut und den Freiheitsdrang der Ungarn und die polnisch-ungarische Freundschaft lobte.

Konfrontation

Die hunderten Anhänger der Opposition wurden nicht auf den hermetisch abgeriegelten Platz gelassen. Von den Rändern des Platzes verschafften sie sich jedoch mit Trillerpfeifen lautstark Gehör. Nur wenigen Gegendemonstranten gelang es, auf den Platz vorzudringen, wo es laut Inforadio zur Konfrontation zwischen Orbán-Anhängern und -Gegnern kam, die jedoch nicht in Gewalt mündete. Zu dem Protest aufgerufen hatte der Vize-Vorsitzende der kleinen liberalen Partei Együtt ("Gemeinsam"), Péter Juhász.

Die ungarische Opposition beging den Jahrestag des Aufstands getrennt in der Budapester Innenstadt. Die Gedenkfeier der linksliberalen Oppositionsparteien und NGOs auf dem Blaha-Lujza-Platz stand ganz im Zeichen des Protests gegen Orbán. Der Chef der Demokratischen Koalition (DK) und frühere Regierungschef Ferenc Gyurcsány bezeichnete Orbán als "Konterrevolutionär", der den Ideen der Revolution von 1956 entgegenstünde. Es gebe keinen "Mittelweg", "wer nicht gegen Orbán ist, der ist mit Orbán", so Gyurcsány.

Die Oppositionsvertreter forderten die Ablösung der rechtskonservativen Regierung und einen Zusammenschluss der schwachen Opposition, um eine "neue Wende" zu vollziehen, damit Demokratie und Rechtsstaat wiederhergestellt werden. Dazu wurde die Schaffung eines Wahlbündnisses sowie ein 500-Tage-Programm bis zur Wahl 2018 angekündigt.

"Die Macht sei durchaus abwählbar", betonte der Chef der Sozialisten (MSZP), Gyula Molnár. Er hätte nie geglaubt, dass eine Zeit kommen würde, in der die Forderungen von 1956 erneut aktuell seien: Abschaffung der Unterdrückung, Presse- und Redefreiheit sowie die Nichteinmischung der Russen in die ungarische Politik, so Molnár. (APA, 23.10.2016)