"Ich bleibe Jugoslawin. Wenn sich andere Menschen das Recht nehmen, sich als Serben, Kroaten oder Bosniaken zu identifizieren, dann identifiziere ich mich mit Jugoslawien", sagte Lepa Brena vor zwei Jahren in einem Interview für das kroatische Staatsfernsehen HRT. Kaum jemand, der auch kurz mit Exjugoslawien zu tun hatte, kennt Fahreta Jahić-Živojinović – wie die Sängerin mit dem bürgerlichen Namen heißt – nicht. Am Mariahilfer Gürtel in Wien existiert sogar ein Lokal mit ihrem Künstlernamen "Lepa Brena". 1960 in einer bosniakisch-muslimischen Familie im nordbosnischen Tuzla geboren, genoss Lepa Brena von der Mitte der 1980er-Jahre bis zum Zerfall Jugoslawiens 1991 den Status der Königin der jugoslawischen Volksmusik.

Neue Musik

Galt die traditionelle Volksmusik in Exjugoslawien bis zum Beginn der 1980er-Jahre insbesondere unter jüngeren Menschen als nicht zeitgemäß, so begann ab Mitte der 1970er eine Welle ihrer Popularisierung durch die Fusion mit Elementen des Rock und Pop. Im Bereich der Rockmusik experimentierten hier insbesondere die Band Bijelo dugme (zu Deutsch "Weißer Knopf") und ihr Chef Goran Bregović. Sie entwickelten sogar ein ganzes Musikgenre mit dem umgangssprachlichen Namen "Bauern-Rock".

In der Volksmusik kündigte Lepa Brena die Rückkehr der Volks- und volkstümlichen Musik auf dem Balkan in den absoluten medialen Mainstream an. Ihre Lieder waren eine Mischung aus leichten volkstümlichen Texten – oft mit Szenen des dörflichen Lebens und freizügigerem Inhalt garniert – bis hin zu Balladen, die man damals auch der Popmusik zuschreiben könnte. Mit kurzen Miniröcken, langen Beinen und dem unermüdlichen Hüpfen auf der Bühne verkörperte Lepa Brena in den 1980er-Jahren ein Schönheitsideal für Millionen Jugoslawen.

"Ich bin Jugoslawin"*, Lepa Brenas großer Hit.
Grand Production ®

Zu dieser Zeit folgte ein Album nach dem anderen, Verkaufszahlen schossen in eine bisher kaum denkbare Höhe. Lepa Brenas Popularität war in einem schwächelnden Vielvölkerstaat ein musikalisches und gesellschaftliches Phänomen: Im Jahresdurchschnitt hielt die Folksängerin mit ihrer aus fünf Musikern bestehenden Band Slatki greh (zu Deutsch "Süße Sünde") rund 350 Konzerte.

Jugoslawien-Symbol

Dabei wusste die Musikerin sehr wohl, mit ihrer Popularität geschickt umzugehen. Durch ihren Manager Raka Đokić entwickelte sich Lepa Brena zu einem Musikstar, der den gesamtjugoslawischen Geschmack bedienen könnte: Sie sang von jungen Männern mit serbisch-orthodoxen, aber auch bosniakisch-muslimischen Namen oder ungarischen Namen, die Klänge ihrer Lieder verkörperten sowohl die traditionelle serbische als auch mazedonische, montenegrinische oder bosnische Musik, alles in einem zeitgemäßeren Arrangement aus Volksmusik und leichtem Pop. Aus diesem Grund wird Lepa Brena von Kritikern manchmal als Vorreiterin des Turbo-Folk genannt, jener Musikgattung, die sich vor allem durch profane Texte im Serbien der 1990er-Jahre zum Mainstream entwickelte.

Ihre Popularität überschritt die Grenzen des damaligen Jugoslawien: Als eine der seltenen ausländischen Musikerinnen trat sie 1986 im rumänischen Temischwar vor 65.000 Menschen auf. Das Stadion wurde im damaligen Ceaușescu-Rumänien während des Konzert durch Panzer bewacht. Am 24. Juli 1990 sangen am Lewski-Stadion in der bulgarischen Hauptstadt Sofia rund 110.000 Konzertgäste ihren Hit "Ich bin Jugoslawin" mit. Ihre Heirat mit dem bekanntesten Tennisspieler Jugoslawiens Slobodan Živojinović im Jahre 1991 war ein Society-Spektakel.

Lepa Brena wird von Kritikern manchmal als Vorreiterin des Turbo-Folk genannt, jener Musikgattung, die sich vor allem durch profane Texte im Serbien der 1990er-Jahre zum Mainstream entwickelte.
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Verblasster Ruhm

Doch mit dem Zerfall Jugoslawiens ging es auch mit der Karriere von Lepa Brena steil bergab. Die in Bosnien-Herzegowina geborene Sängerin lebte seit Beginn ihrer Karriere durchgehend in Serbien. Sowohl privat als auch in ihren Liedern entschied sie sich, serbisch-ekawische Aussprache zu verwenden, was seit den 1990er-Jahren unter vielen Kroaten und Bosniaken auf Ablehnung stieß. Als das serbische Fernsehen Lepa Brena 1993 im Tarnanzug in ihrem Heimatort Brčko in Bosnien zeigte und meldete, sie bereite ein Konzert für serbische Soldaten, wurde das von vielen Bosniaken als Hochverrat empfangen. Gerüchte wurden in Medien kolportiert, nach denen die Sängerin ihren typisch bosniakisch-muslimischen Vornamen Fahreta durch den serbisch-orthodoxen Namen Jelena ersetzte. Sie dementierte sowohl Konzert- als auch Gerüchte über eine Namensänderung, doch bei vielen ihrer einstigen Fans konnte sie ihre Popularität nicht zurückgewinnen: 2009 protestierte man sogar in Sarajevo und in Kroatien gegen ihre Konzerte.

Nach einer Pause von acht Jahren, in der sich mit der Familie zwischen Florida und Belgrad pendelte, ist Lepa Brena sich seit dem Beginn der 2000er-Jahre außerdem stark in der Musikproduktionsbranche tätig. Mittlerweile füllt sie wieder Konzerthallen in der Region, zu ihrer alten Popularität kam sie in den neugegründeten Nachfolgestaaten Jugoslawiens jedoch nie mehr. Ihr Status der Königin der Volksmusik ging mit dem Staat unter, mit dem sie sich bis heute identifiziert. (Nedad Memić, 27.10.2016)