Advokat der Moderne: Walter Kobéra.

Foto: Bardel

Wien – Für Ernst Kreneks Pallas Athene weint wird die Bühne von "einer teilweise eingestürzten Säulenhalle des Parlaments dominiert. Das ist in der Tat pessimistisch, es geht ja auch wirklich alles unter, es gibt keinen offenen Schluss, die Katastrophe tritt ein. Sie bringen einander gegenseitig um, und alle sterben", erzählt Dirigent Walter Kobéra – selbst etwas erstaunt über die Düsternis, mit der sich seine Neue Oper Wien im Museumsquartier ab Dienstag befassen wird.

Auf dem Weg zum Untergang lassen sich bei Krenek allerdings einige lehrreiche Polittypen kennenlernen, "die vorgeben, für Demokratie zu stehen, aber unterschiedlich agieren. Es gibt den Naiven, der für die Freiheit stirbt. Es gibt den Unscheinbaren, der als Chamäleon nichts weiterbringt, aber immer ein Veto einlegt. Und es gibt einen, der Politikern Korruption vorwirft und behauptet, er würde aufs Volk hören und dessen Wünsche umsetzen."

Letztlich gehe es für Kobéra – etwas abstrakter betrachtet – um "die Themen Freiheit, Zwang und die Erkenntnis, dass Demokratie nur mit angeschlossener Solidarität möglich ist."

Integrativer Aspekt

Um die Zeichnung der Typen genau hinzubekommen, hat Kobéra beim Erarbeiten der Partien in der Inszenierung von Christoph Zauner "sehr auf die Art und Weise geachtet, wie gesungen wird. Wir wollten Krenek auch vom Nimbus der Spätromantik befreien. Es soll nicht groß und breit klingen, wir haben uns sehr auf den Text konzentriert, es ist ja eine Konversationsoper – mit zahllosen Temporückungen."

Die Produktion hat auch einen integrativen Aspekt; unter den Mitwirkenden sind jugendliche Flüchtlinge des Georg-Danzer-Hauses. "Wenn man schon so viel von Integration spricht, muss auch etwas getan werden. Es nützt nichts, einen Flüchtling nur etwas unterschreiben zu lassen ... Es geht um Kommunikation. Nach Probenphasen, in denen auch diszipliniert gearbeitet wird, setzt man sich zusammen, nimmt sich Zeit zu diskutieren und zu erzählen. Abseits der Arbeit können so Bindungen entstehen; ob Verbindungen daraus werden, weiß ich nicht."

Drei Konzeptsäulen

Aber es sei wichtig, "in Gespräche einzutauchen", so Kobéra, der ansonsten an den drei Konzeptsäulen seiner Gruppe festhält: Die Neue Oper Wien stehe für Uraufführungen, österreichische Erstaufführungen und quasi vergessene Meisterwerke. Es ist ein Konzept, das in der Stadt Lücken schließt; auch dadurch, dass Sänger und Regisseure gefördert werden: "Junge Vokalisten finden so zu einem anderen Repertoire, und Regisseure können sich Werken widmen, zu denen es eher keine erprobten Vorlagen gibt. Vielleicht sind wir ein Sprungbrett: Philipp M. Krenn, der den Orest von Manfred Trojahn inszeniert hat, reüssiert in Deutschland."

Seit 2002 gibt es bei den Subventionen allerdings keine Inflationsabgeltung. "Eigentlich können wir unser Niveau nur mit internationalen Partnern halten", so Kobéra, der hofft, bei der Stadt Wien Gehör zu finden. (Ljubisa Tosic, 24.10.2016)