"My Mattress" (1962) der Argentinierin Marta Minujín.

Foto: Marta Minujín

Wer die Schau Postwar: Kunst zwischen Pazifik und Atlantik, 1945–1965 betritt, sollte die Kunsthistorie des 20. Jahrhunderts gut kennen. Besser als gut. Denn sonst hat man zwar viel gesehen, ist aber um kein Jota klüger. Und wer mit größerer Kenntnis die 350 Exponate von 218 Künstlern betrachtet, dem werden immer stärker die Defizite ins Auge fallen: die immer längere Liste all jener, die unberücksichtigt sind.

Dabei versucht Okwui Enwezor, Direktor des Hauses der Kunst (Co-Kuratoren: sein Chefkurator Ulrich Wilmes und die US-amerikanische Kunstwissenschafterin Katy Siegel), mit der von ihm konzipierten Ausstellung etwas Neues. Nämlich die globale Kunst der zwei Jahrzehnte zwischen Kriegsende und Atombombenabwurf sowie Eichmann-Prozess und Kennedy-Attentat vorzuführen. Also nicht nur jene aus Paris und New York, sondern auch, dank Leihgaben aus 34 Ländern, aus Japan, Ägypten, Gabun, China, Israel, Südamerika. Den eurozentrischen Blick zu ergänzen mit weltweit zeitgleich Entstandenem.

Zu viel auf zu wenig Raum

Größenwahn kann berückend sein. Doch wenn dann die Kuratoren eine so gigantische Ausstellung verbal herunterdimmen zum "Fragen-Ort", ist das kontraproduktiv. Zum anderen ist die große Schau zu klein. Es ist ein gedrängtes Bilderstakkato, zu viel auf zu wenig Raum. Und wie so oft bei Enwezors Ausstellungen ist die Hängung eher unsinnlich.

Einen Parcours im eigentlichen Sinn gibt es kaum. Sondern acht Stationen, eher diffuse Themeninseln denn scharf konturierte Kapitel. Sie reichen von der Stunde null über das neue Menschenbild, die Formfrage, Realismen, konkrete Visionen, kosmopolitische Moderne und formsuchende Nationen bis zu Netzwerken, Medien und Kommunikation.

Nach einem starken Auftakt mit Francis Bacon, Joseph Beuys, Fotos aus Nagasaki dominiert in der zentralen, von vielen Trennwänden und Kojen unterteilten Halle der abstrakte Expressionismus, der ein weiteres Mal obsiegt: Jackson Pollock, Joan Mitchell, Lee Krasner, Helen Frankenthaler. Realismus ist gleich Ostblock-Propaganda mit Stalin und Mao, neue Menschenbilder gleich Baselitz, Richter und Maria Lassnig. Netzwerke und Medien dann sind Pop-Art, Happening, die Nouveaux Réalistes.

Kaum ausgeprägt museale Qualität

Das kapitale Grundproblem: Kapriziert man sich auf unbekanntere Neben- statt auf allerbeste Werke, ist Minderes zu sehen, von E. W. Nay, Willem de Kooning, Ed Ruscha, Sigmar Polke, Frank Auerbach. Andererseits erweist sich das Seidenstraßen-Prinzip, der inspirierende Hin-und-Her-Austausch, als Einbahnstraße. Kaum etwas der Künstlerinnen und Künstler aus Afrika, Südamerika, Asien oder dem arabischen Raum besitzt ausgeprägt museale Qualität, manches touchiert haarscharf den Kitsch, vieles ist eine phasenverschobene Rezeption von deutschem Expressionismus, Surrealismus oder Picasso. Dessen Spätwerk ist übrigens, wie der späte Beckmann oder der späte Grosz, fast vollständig ausgeblendet.

Die avisierte Einbettung der Kunst in die Sozialgeschichte erfolgt nur punktuell. Auf kleinen TV-Bildschirmen laufen Videos von Protesten wider den Algerienkrieg oder wider die Rassentrennung in den USA, es sind Illustrierte aufgeblättert, an anderer Stelle liegt Karl Jaspers' Streitschrift Über die Schuldfrage aus.

Höchst ehrgeizig ist dieses Unterfangen, von einem gewaltigen globalen Zuarbeiternetz getragen. Am Ende ist es aber ein Scheitern auf hohem Niveau. (Alexander Kluy aus München, 26.10.2016)