Die Pariser Klimaziele werden in der Praxis nicht leicht zu erreichen sein: Zwar will niemand die Erderwärmung, aber die große Mehrheit will auch nicht die radikalen Änderungen im Lebensstil, die eine effektive Klimapolitik im Wohnbau verlangt.

Karikatur: Oliver Schopf

Es gibt hierzulande kaum jemanden, der das Pariser Weltklimaabkommen, das am 4. November in Kraft treten wird, nicht begrüßt. Denn Österreich ist vom Klimawandel aufgrund seiner alpinen Geografie besonders stark betroffen, sagt Ingmar Höbarth, Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds. Und auch im Wohnbau ist das Bewusstsein stark, dass trotz der großen Fortschritte der vergangenen Jahre bei der Energieeffizienz von Gebäuden noch viel geschehen muss, damit Österreich tatsächlich die ehrgeizigen Klimaziele erreichen kann. Denn dafür müsste der Treibhausgasausstoß der Gebäude bis 2050 praktisch auf null fallen.

Doch dieses Ziel wird in der Praxis doch nicht so leicht zu erreichen sein, zeigte sich deutlich beim 56. STANDARD-Wohnsymposium, das sich vergangene Woche unter dem Titel "Wandel oder Revolution" dem Spannungsfeld zwischen Energiesparen, Kostendruck und Nutzerwünschen beim Erreichen der Pariser Klimaziele widmete. Niemand will die Erderwärmung, aber die große Mehrheit will auch nicht die radikalen Änderungen im Lebensstil, die eine effektive Klimapolitik im Wohnbau verlangt.

Der einfachste Teil ist die Erhöhung der Energieeffizienz im Neubau, wo zumindest im gemeinnützigen Sektor das Niedrigenergie- und sogar das Passivhaus zunehmend zum Standard werden. Allerdings gelten im frei finanzierten Wohnbau die weniger strengen thermischen Auflagen der Bauordnung. Das schafft eine soziale Schieflage, denn Energieeffizienz erhöht zunächst die Baukosten und damit die Mieten.

Bei der Villa nicht so streng

"Warum muss ein russischer Multimillionär, der eine Villa um zehn Millionen Euro baut, nur die Bauordnung einhalten, während der Sozialhilfeempfänger, der im 11. Bezirk im dritten Stock wohnt, einen Beitrag leistet, dass er noch energieeffizienter wohnt?", fragte ÖSW-Vorstand Michael Pech, einer der Redner auf der von der Fachzeitschrift Wohnen Plus mitorganisierten Veranstaltung. Die Gemeinnützigen würden Leuchtturmprojekte mit Passivhausstandard errichten, aber auch die würden nicht immer wie erhofft funktionieren, wenn etwa die Bewohner ihr Verhalten nicht anpassen und die Fenster im Winter stundenlang offenhalten.

Im Altbestand ist die Situation noch trister, denn die Sanierungsrate liegt mit rund einem Prozent im Jahr weit unter dem Ziel von drei Prozent, sagte Höbarth, dessen Klimafonds seit mehreren Jahren Mustersanierungen fördert. Und wird eine thermische Sanierung einmal durchgezogen, dann sind die Erwartungen bezüglich der Einsparungen bei den Bewohnern oft zu hoch – nämlich bis zu 90 Prozent der Energiekosten -, was dann zu Enttäuschungen führt, erzählt Pech.

Problematisch ist auch die anhaltende Beliebtheit von Einfamilienhäusern, die meist schlechtere thermische Werte und deutlich mehr Fläche haben als Einheiten im verdichteten Wohnbau. Außerdem tragen sie zur Zersiedelung und Versiegelung der Landschaft bei und fördern über den verstärkten Autoverkehr den CO2-Ausstoß. "In Österreich ist die Lage bei der Raumordnung und der Siedlungsstruktur besonders schlimm", sagt der ehemalige Wiener Planungsstadtrat und Ex-EU-Abgeordnete Hannes Swoboda.

Aber wie man gerade am Land die Menschen dazu bringen kann, auf den Traum vom Eigenheim mit Rundumblick und Garten zu verzichten, darauf hat niemand eine wirklich gute Antwort. "Man kann in der Raumordnung Vorkehrungen treffen, dass mehr verdichtet wird, aber die Versäumnisse der Vergangenheit sind unumkehrbar." Denn abreißen, so der Konsens, kann man die vielen Einfamilienhäuser nicht. Und eine CO2-Steuer, die die Bewohner die Vollkosten ihres Wohntraums spüren lassen würde, ist politisch kaum durchzusetzen.

Problem Ölheizung

Dafür würden heute noch im Neubau Ölheizungen Förderungen erhalten, was Auswirkungen auf Jahrzehnte habe, beklagte Christiane Brunner, Klimasprecherin der Grünen: "Solche Förderungen sind unverantwortlich. Ich bin sonst nicht für Überregulierung, aber beim Ölkessel schon."

Das werde bald aufhören, versprach Niederösterreichs Landeshauptmann-Stellvertreterin Johanna Mikl-Leitner, die auch für den Wohnbau zuständig ist. "Für uns ist es ganz klar, dass es neue Ölkessel nach dem Pariser Klimavertrag nicht mehr geben kann."

Entscheidend für eine erfolgreiche Klimapolitik im Wohnbau ist ein gesamtheitlicher Zugang, betonten Redner und Diskutanten aus dem Kreis der mehr als 100 Teilnehmer: Wirtschaftlichkeit, Energiebilanz über den Lebenszyklus, innovative architektonische Lösungen, Einbindung der Bewohner bei Klimamaßnahmen – und immer wieder die Frage der Mobilität, die eng mit Wohnort und Siedlungsstruktur verknüpft ist. Die Wünsche der Bevölkerung dürften nicht der einzige Maßstab sein, sagt Swoboda. "Denn die Menschen handeln nicht immer nach dem, wovon sie wissen, dass es gut für sie ist." (Eric Frey, 25.10.2016)